Thüringer Mediensymposium 2021 Teil 2/2: 5 Learnings

Die rege Diskussion der vor Ort sowie online zugeschalteten Teilnehmer:innen hat es gezeigt: Es stehen noch viele Fragen im Raum und die Themen IP/IT und KI/Machine Learning in der Medienproduktion bleiben weiterhin komplex und müssen immer im Kontext des jeweiligen Anwendungsfalls gesehen werden. Wir haben es dennoch gewagt, im Folgenden fünf Learnings festzuhalten, die für uns quasi den „kleinste gemeinsamen Nenner“ aus den gehörten Vorträgen bilden.



Learning 1: „Media over IP“ heißt nicht, das es einfacher wird

Im Gegenteil. Das bewiesen viele der vorgestellten Umrüstungs- und Migrationsprojekte. Zwar nimmt die Anzahl handelsüblicher „Off-the-Shelf“-Produkte oder mobiler Ausrüstung auch im Bereich der professionellen Medienproduktion tendenziell zu, doch die Anbindung innerhalb der gesamten Infrastruktur, ob Cloud, on prem oder hybrid, ist weit komplexer, als es noch zu SDI-Zeiten mit dedizierter Hardware der Fall war.

Hinzu kommt, dass viele Medienhäuser einen Best-of-Breed-Ansatz bevorzugen, sich also nicht auf eine Standardlösung verlassen, sondern die jeweils beste Soft- und Hardware implementieren wollen. Die rasante Weiterentwicklung der (IT-)Technik tut dann noch ihr übriges hinzu.


Learning 2: SMPTE ST2110 ist nicht alles

Zwar bildet die SMPTE-Standardreihe ST2110 die Grundlage für Digital Media over IP, aber sie ist eben nur ein Teil des Ganzen. Gerade im Zuge Modernisierung von Sendekomplexen oder bei der Redefinierung von Arbeitsabläufen und –prozessen, kommen IT und Medientechnik einander so nah wie nie zuvor.

So müssen zum Beispiel auch Dinge wie die Haustechnik oder weitere Anwendungen, die außerhalb der Medientechnik liegen, in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Auch in punkto Skalierbarkeit und Flexibilität der IP-Systemlösungen sind Geduld und Wille zum Ausprobieren gefragt - siehe Punkt 1.


Learning 3: Projekte gehen heute anders


Gäbe es ein Budget, das keine Wünsche offen ließe, wäre das wohl der Traum eines jeden Projektverantwortlichen. Und gerade beim Thema IP-Umrüstung oder auch der Einbindung von Machine Learning und KI kann es ganz schnell auch sehr teuer werden. Daher gilt: Mindestanforderungen und Budget festlegen, eventuell weitere Wünsche formulieren, falls es noch in den finanziellen Rahmen passt.

PoC (Proof of Concept), Testumgebungen und Pilotprojekten kommt bei der sorgfältigen Projektplanung und -umsetzung eine entscheidende Rolle zu: Zum einen, um praktische Erfahrungen zu sammeln, zum anderen um mögliche Schwachstellen aufzudecken und zu beheben, bevor es an einen größeren Rollout geht. Und vor allem steht natürlich die Frage: Was will ich eigentlich erreichen?


Learning 4: KI ja, aber nur, wo es Sinn macht

 KI und Machine Learning sind im Rahmen der Diskussion um eine weitere Automatisierung in der Medienproduktion und redaktioneller Prozesse nicht mehr wegzudenken. Doch ihr Einsatz will wohlüberlegt und gut vorbereitet sein, nicht nur aus Kostengründen.

Gerade Nischenthemen jedoch, profitieren von den neuen Technologien, unter anderem bei der Umsetzung von barrierefreien Angeboten. Bei der Erstellung von redaktionellen Texten in leichter Sprache oder Untertiteln sind sie bereits vielfach im Einsatz.


Learning 5: IT, Medientechnik und Menschen zusammenbringen

Während der gesamten Veranstaltung wurde klar, dass es vor allem ohne eines nicht geht: Mitarbeitende aus IT und Medientechnik aber auch aus Redaktion und Verwaltung zusammenzubringen sowie bestehende Workflows und Prozesse kritisch zu hinterfragen und neu zu definieren anstatt Altbewährtes einfach in IP oder maschinelle Prozesse „zu übersetzen“.

Im Zuge einer solchen Erneuerung müssen dann etwa auch betriebliche Arbeitsprofile angepasst oder Rollen neu definiert werden, wie es in vielen Medienbetrieben aktuell geschieht. Auch die Auswirkungen von KI und Machine Learning auf Medienmitarbeitende, aber auch auf die Gesellschaft als Ganzes muss sehr sensibel und für die Menschen transparent berücksichtigt werden.


Fazit


Seit vielen Jahren bestimmen die Themen „All IP“ und KI/Machine Learning bereits die Agenda vieler Branchenveranstaltungen. Vieles von dem, was noch vor wenigen Jahren in den Kinderschuhen steckte, ist mittlerweile in den Medienbetrieben angekommen oder steht kurz davor.

 Und doch bleibt uns noch ein langer Weg, bis sich diese flächendeckend in den Medienhäusern durchsetzen. Die Komplexität der Anwendungen und Systeme im Zusammenspiel macht ein überlegtes und schrittweises Vorgehen unerlässlich.

Doch das Schöne an der technologischen Entwicklung ist ihre Unvorhersehbarkeit. Eine zündende Idee oder ein revolutionäres Produkt können innerhalb kürzester Zeit alles verändern. Es bleibt also auch im nächsten Jahr viel zu entdecken, vielleicht auf dem Thüringer Mediensymposium?


Mehr über die Themen des Thüringer Mediensymposiums lesen Sie auch auf den FKTG-Seiten der FKT 12/21

Autorin: Angela Bünger