Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung hat Jane Champion den Oscar in der Kategorie „Beste Regie“ für ihren Film „The Power of the Dog“ gewonnen. Damit ist sie erst die dritte Frau, die die begehrte goldene Trophäe in dieser Kategorie mit nach Hause nehmen durfte. Vor ihr konnten nur Chloé Zhao (2021 für „Nomadland“) und Kathryn Bigelow (2010 „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“) die Jury überzeugen.
Zeichnet sich also jetzt eine Trendwende ab, da in den letzten beiden Jahren der Regiepreis an Frauen vergeben wurde? Eher das Gegenteil ist der Fall, stellt ein Anfang Januar 2022 in Variety erschienener Artikel fest. Zwar habe Hollywood 2020 Geschichte geschrieben und eine Rekordzahl von Filmen mit weiblicher Regie herausgebracht. Doch der Rückschritt folgte auf dem Fuße: Bei den 250 umsatzstärksten Filmen waren laut Artikel im Jahr 2021 nur 17 % von Frauen, gegenüber 18 % im Vorjahr. Noch düsterer werde das Bild, wenn man sich auf die 100 beliebtesten Filme an den Kinokassen konzentriere – dort liege der Frauenanteil der Regie 2021 nur bei 12 % gegenüber 16 % im Jahr 2020.
Quelle: YouTube/France 24 English
Hollywood und Europa: Regisseurinnen sind unterrepräsentiert
Der Artikel beruft sich auf den Bericht „Celluloid Ceiling“, der jährlich vom Center for the Study of Women in Television and Film an der San Diego State University erstellt wird. Martha Lauzen, Geschäftsführerin des Centers und Autorin des Berichts stellt fest: „Auch in diesem Jahr haben mehr 80% der Filme keine Frau als Regisseurin“. Doch kleine Lichtblicke gibt es auch hier: Immerhin ist der Anteil an Frauen, die in Schlüsselpositionen hinter den Kulissen arbeiten, etwa als Autorinnen, Produzentinnen, Cutterinnen oder Kamerafrauen von 23% im Jahr 2020 auf 25% im Jahr 2021 gestiegen.
Doch nicht nur in Hollywood, auch in Europa sind weibliche Fachkräfte hinter den Kulissen der Filmbranche unterrepräsentiert: Bei weniger als einem von vier Filmen führten sie Regie, wie ein Bericht der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (EAI) feststellte (FKTG berichtete hier). Auch in Schlüsselpositionen fand man sie demnach eher seltener in alleinverantwortlicher Position, eher arbeiteten sie in Teams, zumeist mit männlichen Kollegen zusammen.
Woran liegt also diese Diskrepanz zwischen Männern und Frauen in der Filmbranche, gerade was technisch-künstlerische Aufgabenfelder betrifft? Ist Filmregie nach wie vor eher „reine Männersache“? Einen Blick in die Historie wirft hierzu Stefan Drößler vom Filmmuseum München in einem Beitrag der Deutschen Welle (DW) zum Schaffen der Kinopionierin Alice Guy-Blaché (1873-1968): Die klassische Cinephilie sei sehr männergeprägt, über 90 Prozent der Filmhistoriker seien Männer gewesen, daher hätte die Filmgeschichtsschreibung Frauen wenig beachtet. Ein Umstand, der scheinbar bis heute nachwirkt.
Filmpionierin Alice Guy-Blaché
Dabei ist gerade Guy-Blaché, über die die amerikanische Filmemacherin Pamela B. Green den Dokumentarfilm „Be Natural – Sei du selbst“ veröffentlichte, ein Werk, das 2018 bei den Filmfestspielen in Cannes zu sehen war und 2021 in die deutschen Kinos kam, mehr als beachtenswert. Schon ein Jahr nach der Erfindung des Kinematografen durch die Brüder Lumière drehte sie ihre ersten Filme, an die 1.000 sollen es im Laufe ihres Lebens gewesen sein. Sie war damit die erste Filmregisseurin der Welt.
Vor der Technik scheute sich Guy-Blaché ebenfalls nicht: So drehte sie mit „La Fée du Printemps“ (dt. „Frühlings-Fee“) einen der ersten Filme in Farbe oder bediente sich der Technik der Doppelbelichtung. Hevorzuheben ist auch die Produktion von Tonaufnahmen auf Phonographenwalzen.
Im DW-Artikel wird Guy-Blaché wie folgt zitiert: „Es gibt nichts im Zusammenhang mit der Inszenierung eines Filmes, was eine Frau nicht ebenso leicht wie ein Mann machen könnte, und es gibt keinen Grund, warum sie nicht jede technische Seite dieser Kunst vollkommen meistern könnte." Das gilt umso mehr im Jahr 2022.
-AB
Aufmacher: ElisaRiva, Pixabay
Bild 2: Alice Guy-Blaché (WikiCommons, gemeinfrei)