Unternehmen und Gesellschaft nachhaltig verändern

Barbara Lange

Zwölf Jahre lang hat Barbara Lange als Executive Director die Geschicke der SMPTE mitgestaltet. Jetzt ist sie mit ihrem Unternehmen Kibo121 auf neuen Pfaden rund um das Thema Nachhaltigkeit im Medienbereich unterwegs. Im Interview erzählt sie uns, wie Standards zu mehr Umweltbewusstsein im Unternehmen beitragen können und warum es sich lohnt, bestehende Rollenmodelle aufzubrechen.


Du hast Deine Tätigkeit als Executive Director bei der SMPTE Ende 2021 nach zwölf Jahren aufgegeben. Welche Learnings nimmst Du aus dieser Funktion mit?

Als ich zur SMPTE kam, war nicht nur die Branche komplett neu für mich, sondern auch meine Führungsrolle. Ich hatte zwar schon vorher viel Berufserfahrung in anderen Positionen gesammelt, aber immer in großen Unternehmen, wo ich Teil eines Teams war. Die Position bei der SMPTE war also eine völlige Umstellung und ich musste mich erst einfinden.
Aber ich habe dort viele tolle Menschen kennengelernt, die mich nicht nur herzlich in die Branche aufgenommen haben, sondern mir auch geduldig alles erklärt haben, was ich wissen musste. Ich habe also in der ersten Zeit viel zugehört und versucht, so viel Wissen aufzusaugen, wie ich konnte. Mein erstes HPA Tech Retreat im Jahr 2010 war hierbei sehr hilfreich, da ich dort viele führende Köpfe der Branche kennenlernen durfte.
Aber mir wurde auch relativ schnell klar, dass ich niemals ein Experte im Bereich Medientechnik sein würde. Die Ausbildung von Ingenieuren und Technikern dauert schließlich jahrelang und sie spezialisieren sich in der Regel auf ein sehr kleines Fachgebiet, das sie in der Tiefe kennen. Ich habe daher gelernt, wo meine Grenzen sind und diese zu respektieren. Kurz gesagt, es ist nicht wichtig, dass ich alles weiß, sondern, dass ich Menschen kenne, die es ganz genau wissen.
Das hat mir schließlich dabei geholfen, zu erkennen, wo meine Stärken sind: Ich musste kein Technologie-Experte werden. Denn meine Aufgabe war es, die technologischen Entwicklungen bei der SMPTE mit den geschäftlichen Anforderungen in Einklang zu bringen. Als Bindeglied zwischen Technik und Business bin ich in meine Führungsrolle hineingewachsen und habe gelernt, selbstbewusst Entscheidungen zu treffen.

Mit Kibo121 hast Du kürzlich ein neues Unternehmen gegründet. Kannst Du uns ein bisschen mehr darüber erzählen?

Es geht bei Kibo121 um Nachhaltigkeit im Bereich der Medientechnik, genauer gesagt, wie die Branche mit dem Thema umgeht. Zwar reden im Moment alle davon, dass man etwas tun muss; alle großen Unternehmen haben bereits Erklärungen dazu veröffentlicht. Doch Erklärungen alleine bringen uns nicht weiter, wenn es keine genauen Vorgaben gibt. Bisher ist alles sehr vage. Wie messe ich zum Beispiel meinen ökologischen Fußabdruck als Unternehmen? Dazu gibt es bislang kein standardisiertes Vorgehen.
Da möchte ich mit Kibo121 ansetzen und Unternehmen zum Beispiel dabei helfen, ihren eigenen Leitfaden für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln. Unternehmer:innen und Führungskräfte aufklären, wie sie Umweltbewusstsein in ihre Unternehmenspolitik aufnehmen und nach innen und außen transportieren können. Das gleiche gilt übrigens auch für soziale Aspekte, sprich die Diversität am Arbeitsplatz, und wie Unternehmen hier Fortschritte machen können.
Mit diesem Ansatz möchte ich in Zukunft nicht nur größere Unternehmen unterstützen, sondern vor allem auch kleineren und mittelständischen Unternehmen bei der Formulierung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie helfen, die momentan noch sehr verunsichert sind und nicht genau wissen, wo sie eigentlich ansetzen sollen, da es keine klaren Richtlinien gibt. Das wird für alle Unternehmen umso wichtiger, da gerade junge Menschen für Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität viel sensibler sind und eine klare Positionierung von Unternehmen erwarten.
Der Name Kibo121 ist übrigens aus einer persönlichen Erinnerung entstanden: Am 21. Januar 2006 waren wir auf dem Kibo, dem höchsten der drei Krater des Kilimandscharos. Gerade Afrika ist vom Klimawandel sehr stark getroffen und die schneebedeckten Gipfel könnten für künftige Generationen nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten sein, wenn nicht gehandelt wird.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Dich aus?

Im Moment unterstütze ich die SMPTE noch bei der Übergabe der Geschäftsführung an meine Nachfolge, bin also noch nicht ganz weg. Aber ich habe natürlich wesentlich mehr Freiheiten und kann den Arbeitstag ein bisschen entspannter angehen lassen, gerade am Morgen. Aber ich arbeite immer noch durchschnittlich 7+ Stunden pro Tag, um mein neues Unternehmen aufzubauen.
Ich bin dazu aktuell in einer intensiven Lern- und Recherchephase, was mein Thema Nachhaltigkeit betrifft. Gerade bin ich zum Beispiel einer Arbeitsgruppe beigetreten, der ausschließlich Experten zum Thema Nachhaltigkeit angehören - das ist komplettes Neuland für mich.
Daher bin ich froh, das gesamte operative Geschäft, das mich bei der SMPTE über Jahre begleitet hat, weitgehend hinter mir gelassen zu haben und mehr Zeit für meine persönlichen Ziele und Themen zu haben. Und natürlich um mein neues Geschäftsfeld zu erschließen.
Aber ich bin dennoch froh, immer noch engen Kontakt zur Medienbranche zu haben die mir in meiner neuen Unternehmung sehr wichtig sind. Ich war kürzlich erst auf dem HPA Tech Retreat und es war sehr schön, nach so langer Zeit wieder Menschen persönlich getroffen haben.

 

Heutzutage gibt es viele Initiativen für Mädchen und Frauen, um sie für technische Bereiche zu gewinnen. Aber immer noch ist die Zahl der Frauen, die ein Studium in technischen Bereichen absolvieren oder in technischen Arbeitsfeldern tätig sind, unglaublich niedrig. Woran liegt das Deiner Meinung nach? Ist es eine Frage der Erziehung?

Ich glaube man muss schon sehr früh anfangen, Mädchen Technologiefelder als mögliche Berufswahl vorzustellen. Auf meiner Agenda steht daher die ehrenamtliche Mitarbeit in Initiativen für Mädchen ganz oben. Das Thema benötigt auf jeden Fall mehr Öffentlichkeit und solche Initiativen helfen dabei, gerade auch auf lokaler Ebene. In meinem Schulbezirk wird zum Beispiel sehr viel dafür getan, Schülerinnen und Schüler für MINT-Fächer zu begeistern. Es braucht dafür konstante Arbeit und Ermutigung.
Es ist aber auch teils schon frustrierend zu sehen, dass es so wenige Frauen als Vorbilder für technische Berufe gibt. Gerade wenn es um MINT-Fächer geht, bekommen Mädchen auch den Konkurrenzdruck von Seiten der Jungen immer noch stark zu spüren. Auf der anderen Seite gibt es auch kaum Männer, die als Krankenpfleger oder Kindergärtner arbeiten. Es geht also darum, die Sichtweise beider Geschlechter und damit das gesellschaftliche Gesamtbild zu verändern. Mentoring und das Schaffen von Rollenvorbildern kann hier viel Positives bewirken, auch um den Menschen die Angst vor Veränderung zu nehmen.

Wie können Organisationen wie die SMPTE oder FKTG Frauen bei ihrer Karriere unterstützen?

Es gibt ja nur eine begrenzte Anzahl an Frauen in der Medientechnik. Daher ist es wichtig, dass Organisationen dabei helfen, diese Frauen zu vernetzen. Aktuell gibt es etwa sehr gute Initiativen wie RISE oder HPA Women in Post. Auch für die SMPTE und FKTG oder andere Organisationen könnte ich mir so etwas vorstellen, denn es bewirkt etwas. Am HPA Tech Retreat haben in diesem Jahr etwa deutlich etwa mehr Frauen als noch vor einigen Jahren teilgenommen.
Wichtig ist aber auch, dass man zu Konferenzen nicht die Frauen wegen ihres Geschlechts einlädt, nach dem Motto „Wir brauchen noch eine Frau“, sondern weil sie wirklich etwas zum Thema beitragen können. Momentan sieht man leider noch zu oft immer die gleichen Gesichter auf dem Podium, das muss sich dringend ändern.

Was steht bei Dir als nächstes an?

Neben meiner intensiven Recherche treffe ich mich gerade mit vielen Menschen im Bereich der Medientechnik, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Ich habe also immer noch mit den gleichen Unternehmen zu tun, wie schon zu SMPTE-Zeiten, aber mit einer kleineren Gruppe von Menschen. Weiterhin beobachte ich die Standardisierungsbemühungen der ITU und der staatlichen Stellen in diesem Bereich. Und natürlich bin ich auch schon sehr gespannt auf die nächsten Events wie NAB, IBC und SMPTE und wie sie den Themen Nachhaltigkeit und Diversität begegnen.

 

-AB
Bild: Barbara Lange (privat)