„Übersetzerin zwischen Technik und Praxis“

Claudia Wolf, COO von transfermedia production services und der Metadatentechnologie jay, im Interview. 


Du hast an der Filmuniversität Babelsberg Film- und Fernsehproduktion studiert. Dabei standen ja eher Themen wie Finanzierung, Kalkulation, Drehplanung oder Stoffentwicklung im Vordergrund. Wie hat sich da Dein Interesse für Technik entwickelt?

Das war von Anfang an da, denn ursprünglich wollte ich nach dem Abitur Medientechnik studieren. Aber damals war der Studiengang zulassungsbeschränkt, sodass ich mich für eine Ausbildung als Mediengestalterin Bild und Ton entschieden habe, um so die technisch-gestalterischen Grundlagen zu erlernen. 

Da ich gerne organisiere, kam ich dann zum Studium der Filmproduktion. Nach meinem Abschluss bin ich dann direkt in die Projekt- und Netzwerk-Organisation gegangen und kam darüber zum Forschungsprojekt dwerft, Deutschlands größtem Forschungsprojekt zum Thema vernetzte Metadaten in Film und TV. Das war dann auch mein Einstieg in die Welt der Metadaten.

Bei mir ist es die Neugier, tiefer in die technischen Hintergründe einzutauchen und selbst meine Ideen einbringen zu wollen. Denn die Filmproduktion ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern man muss auch die Technik dahinter einschätzen können, etwa im Bereich Kamera oder in der Postproduktion. Nur so kann man die kreative Idee mit dem Budget in Einklang bringen und weiß, wie etwas technisch umsetzbar ist. 

Viele unterschätzen gerade diesen Aspekt, wenn sie ein Studium der Filmproduktion beginnen. Es gibt zwar bei Filmprojekten auch technische Spezialisten, etwa den Postproduction Supervisor, aber auch als Projektleiter muss ich die Grundlagen aller beteiligten Gewerke kennen und bewerten können.

Und wie kam es zur Spezialisierung auf das Thema Metadatenmanagement?

Mein offizieller Einstieg war wie gesagt das Projekt dwerft, für das ich bis 2021 auch die Projektleitung innehatte. Hier wurde meine Begeisterung für das Thema geweckt und ich habe erkannt, welches Potential Metadaten für die Filmwelt bieten – von automatisierten Workflows in der Produktion über Zuschauerinteraktion hin zu neuen Möglichkeiten der Monetarisierung für Medienschaffende. Das wollte ich unbedingt näher untersuchen und im Laufe des Forschungsprojekts ist mit meinen Kolleg*innen die Idee für unsere Metadatentechnologie gereift.

Im letzten Jahr war es dann so weit und wir haben mit transfermedia jay gelauncht, die erste automatisierte Tech-Lösung für Metadaten im Film. Als COO verantworte ich die Produktentwicklung mit, ein sehr spannender Prozess – sowohl inhaltlich als auch organisatorisch.

Claudia Wolf
Claudia Wolf (© Beate Wätzel)


Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Dich aus?

Ich arbeite sehr gerne im Büro. Wir sind ein relativ kleines Team und bestreiten unseren Arbeitstag gern gemeinsam. Der fängt übrigens mit Kickern an. Den dort gesammelten Schwung nehmen wir dann direkt in die Arbeit mit. Über den Tag kommen wir auch regelmäßig für kurze Meetings zusammen, um uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen und die Ideen gemeinsam im Team weiterzuentwickeln. Dieser agile Ansatz gefällt mir sehr.

Ich habe zudem meist verschiedene Termine mit Kunden, Interessenten und Partnern. Ich würde sagen, circa 90 Prozent davon finden online statt, der Rest sind Vor-Ort-Termine. Hinzu kommen viel Organisation und Recherche. 

Gerade die technischen Dinge, der Einstieg in ein Thema, nehmen Zeit in Anspruch. Ich versuche mir daher immer zwei Stunden Zeit am Stück für diese fokussierte Arbeit zu nehmen. Das macht mir sehr viel Spaß, denn ich darf nicht nur planen, sondern mir auch Konzepte überlegen und Ideen für die Produktentwicklung erarbeiten. Hinzu kommt der Austausch mit anderen Expert:innen, so haben wir zum Beispiel eine Expert Group zum Thema Metadaten ins Leben gerufen. Zusätzlich arbeite ich auch an Veröffentlichungen zu meiner Arbeit oder halte Vorträge wie zuletzt bei der FKTG Fachtagung. 

Stichwort Lifelong Learning: Wie hältst Du Dein Wissen up-to-date?

Wie gesagt, ich halte mir Zeitblöcke für intensivere Recherchen frei. Das mache ich auch schon länger. Jedes Mal, wenn ich im Zuge eines Projekts über etwas Neues „stolpere“, sei es im Bereich Metadaten, Green Screen, Virtual Production, versuche ich, tiefer einzutauchen, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Mein aktuelles „Selbststudium“ ist meine Dissertation zum Thema „Metadaten im Spannungsfeld zwischen Technologie und Ökonomie“, die ich im Zuge des Forschungsprojekts begonnen habe.

Kommen wir auf Deinen Artikel in der FKT-Ausgabe 12/2022. Dort zeigst Du, wie die Digitalisierung im Bereich Kostüm/Ausstattung genutzt werden kann. Mit Eurer Metadatenlösung werden so Dinge wie In-Stream-Shopping möglich. Wann denkst Du, werden solche Features für einen größeren Nutzerkreis zur Verfügung stehen?

Wir arbeiten mit Hochdruck daran! Aktuell ist ein Use Case mit einem großen Broadcaster in Arbeit. Und wir haben, wie bei meinem Vortrag auf der FKTG Fachtagung in Erfurt vorgestellt, schon einen Demonstrator gebaut, mit dem man unseren Service persönlich ausprobieren kann. Bei jeder Filmszene werden Zusatzinformationen im Bild angezeigt, etwa zu den Personen im Bild oder zu Produkten wie etwa dem Kleid der Darstellerin. Klickt eine Nutzerin auf das Bild, werden ihr dann ähnliche Produkte angezeigt, die aktuell im Online-Shop verfügbar sind.

Mit einem Research Team der Universität Aveiro in Portugal haben wir unseren Demonstrator auch schon einem Praxistest unterzogen: 20 Testpersonen verschiedener Nationalitäten zwischen 20 und 45 Jahren haben teilgenommen. Dabei zeigte sich, dass einige Testende, die im Vorfeld angaben, dass sie so ein Angebot nie nutzen würden, am Ende begeistert waren von der neuartigen In-Stream-Erfahrung. Die Anwendung bewerteten die meisten Testenden zudem als sehr intuitiv, denn sie greift vertraute Interaktionen aus Social Media auf und transportiert sie in die Film- und Serienwelt. 

Das Tolle ist, dass man praktisch alles, was im Bild sichtbar ist, mit Hintergrundinformationen versehen kann. Das kann für In-Stream-Shopping genutzt werden, aber auch um historische Ereignisse oder Orte näher zu erläutern, wie etwa beim rbb-Projekt „Kennedys Liebe zu Europa“, unserem ersten Use Case. Die Umsetzung erfolgt in einem automatischen Workflow, bei der Produktionsfirma laufen alle Metadaten aus den verschiedenen Bereichen der Produktion zusammen. 

Ich bin überzeugt, dass sich für die Filmindustrie aus den gewonnenen Erkenntnissen und Lernprozessen erfolgreiche Geschäftsmodelle ableiten lassen und hoffe, dass unser Service schon in diesem oder nächsten Jahr verfügbar sein werden.


Welchen Tipp hast Du für Studierende im Filmbereich, die den Einstieg in die Medientechnologie suchen?

Sie sollten vor allem die erste Neugier nutzen, sich dem Thema anzunähern und Bedenken zur Seite legen: Niemand weiß alles oder hat den Überblick über alles. 

Es geht für mich darum, Technik und Praxis miteinander zu verbinden. Wer aus der Praxis kommt, hat oft eine ganz andere Denkweise als der Ingenieur oder die Technikerin. Hier hilft es, sich gegenseitig Fragen zu stellen und den Austausch zu suchen. Gemeinsam kann man dann neue Ansätze und Strukturen entwickeln. 

Wir sind zum Beispiel gerade dabei, eine eigene Entwicklung in die Praxis umsetzen zu lassen. Es geht um die Entwicklung eines KI-Modells, das wir selbst aus unserer Erfahrung nicht hätten umsetzen können. Also haben wir bei einem Forschungsinstitut nachgefragt, die unseren Anwendungsfall so spannend finden, dass wir jetzt eine Zusammenarbeit planen. Und aus dieser Kooperation entsteht eine tolle Energie. 

Brücken bauen, eine Übersetzung zwischen Praxis und Technik ermöglichen, das geht, wenn man durch erste Fragen und Anknüpfungspunkte Zugang zu einem technischen Bereich erlangt und von da an tiefer geht. So ähnlich war es bei mir beim Thema Datenmanagement auch. Und wenn diese „Übersetzung“ gelingt, ist es ein dankbarer Part für beide Seiten, den man in ein Projekt mit einbringt.

-AB
Portrait Claudia Wolf: © Beate Wätzel
Bildgalerie Shooting: © Andrea Hansen

Weiterführende Links