„Personalisierung ist ein wesentlicher Faktor“

Robert Amlung (Bild: ZDF/Rico Rossival)

Robert Amlung, Head of Digital Strategy des ZDF, im Interview über inhaltliche und technische Herausforderungen digitaler Bewegtbildangebote. 


Sie waren kürzlich auf den Fiberdays Teilnehmer einer Diskussionsrunde. Im Programm zum VideoTech 2022-Panel heißt es an einer Stelle: „Das Buzzword «Streaming» scheint schon fast ein Ersatzwort für TV.“ Und in der Tat: in Sachen Digital/Connected TV holen  die Mediathek- und App-Angebote der TV-Sender gegenüber den Streaming-Plattformen auf. Zu nennen sind hier ZDFinfo, die 3Sat-Mediathek oder auch die arte App, die kürzlich den Preis der Deutschen TV-Plattform gewonnen hat. Ist Fernsehen also das bessere Streaming?

Ich denke die Unterscheidung zwischen Fernsehen und Streaming wird nach und nach verblassen. Es geht dabei eigentlich nur noch um die Art der technischen Verbreitung. 

Natürlich stehen dahinter verschiedene Komfort-Funktionen, Kosten und Modelle. Rein aus der Nutzersicht jedoch, verschwimmt der Unterschied seit Jahren immer stärker. Und für diejenigen, die viele Streaming-Angebote nutzen, sei es Mediatheken, Streaming-Dienste oder ähnliches, erfüllt dies das gleiche Nutzerbedürfnis wie das klassische Fernsehen. 

Es ist ein Bewegtbildangebot. Wie dieses Angebot zum Nutzer kommt, ob über neue Wege oder über die klassische Verbreitung, ist aus Nutzersicht relativ egal.

Dass Social Media-Kanäle für Informationsangebote und Storytelling genutzt werden, ist inzwischen Gang und Gäbe, inklusive positiver und negativer „Nebenwirkungen". Als ganz neue Medientrends kommen nun etwa das Metaverse und NFT Trading hinzu. Wie sehen Sie hier die Entwicklung, geht es zu schnell, greifen wir neue Trends auf, obwohl wird die „alten“ neuen Medien noch nicht im Griff haben?

Das Tempo können wir uns als Anbieter nicht aussuchen. Es wird von den technischen Entwicklungen und deren Möglichkeiten sowie durch die Nutzerakzeptanz bestimmt. 

Aus technischer Sicht funktionieren die Social-Media-Plattformen sehr gut. Und auch aus Nutzersicht scheinen die positiven Dinge zu überwiegen, sonst würden die Angebote nicht so großflächig genutzt. 

Für uns als Medienhaus ist es zentral wichtig, Reichweite zu generieren, also müssen wir auch auf den sozialen Netzwerken präsent sein. Gerade jüngere Nutzer suchen auch ihre Bewegtbildmedien im Kontext einer Social-Media-Umgebung, zum Beispiel auf Youtube, Instagram oder TikTok. Das können wir natürlich nicht ignorieren. 
Wir arbeiten aber im Rahmen unserer Strategie daran, auch unsere eigenen Plattformen stärker in diese Richtung zu denken, sodass diese künftig eventuell selbst mehr Social-Funktionen anbieten. 

Ob es allerdings möglich sein wird, eine überwiegende Nutzung auf unseren eigenen Plattformen zu erreichen, so wie es früher beim linearen Fernsehen der Fall war, ist eine der spannenden, aber derzeit noch offenen Fragen. Das ist sicherlich eine Herausforderung.

Wie steht man beim ZDF zu den neuen Trends, arte France hat ja bereits im Metaverse erste Schritte getan?

Ideen zu neuen Trends haben wir eigentlich immer. Ich muss aber sagen, dass mich das Metaverse nicht so sehr beeindruckt. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Hype um Second Life, der auch relativ schnell wieder abgeflacht ist. 

Inwieweit künstliche Welten wirklich zum Massenphänomen taugen, ohne dass es bequeme Brillen gibt oder diese gar nicht mehr erforderlich sind, sei dahingestellt. Im Bereich Gaming funktionieren diese virtuellen Welten sehr gut, das beobachten wir natürlich sehr genau, und schauen, ob sich daraus nicht in Zukunft etwas Spannendes machen lässt. 
 

Di., 28.06.2022 - 11:52

Was muss aus technischer Sicht noch verbessert werden, um die Möglichkeiten im Bereich Digital Content auszuschöpfen?

Ein Thema, das mir seit Jahren fehlt, ist bei Großevents im Internet eine Übertragung über Multicast zu realisieren. Das ist aus technischer Sicht kein Problem, denn die Technik ist ja da, aber es gibt kein Geschäftsmodell dafür. Wir müssen daher seit Jahren auf Unicast mit Caching-Technik zurückgreifen. Bisher reicht es für unsere Zwecke aus, ist aber aus technischer Sicht natürlich Unsinn. 

Ich würde mir daher wünschen, dass wir in diesem Punkt zusammen mit den Telko-Unternehmen weiterkommen und Geschäftsmodelle finden, die es ermöglichen, auf die Backbones der großen Provider zurückgreifen zu können, die sie bisher für ihre eigenen IPTV-Services reserviert halten, damit wir bei solchen Großevents nicht auf die Unicast-Welt angewiesen sind. 

Nach vorne betrachtet, ist eine Mischung aus Multicast und Unicast die Zukunft der Distribution. Die dedizierten Broadcast-Netzwerke, die wir heute noch haben, werden langfristig eher nicht bestehen. Es gibt wenig wirtschaftliche Anreize dafür, diese auf Dauer zu betreiben, wenn eine ausgereifte Multicast-Infrastruktur vorhanden ist. 

Die aktuellen Netzwerke werden natürlich noch einige Zeit weiterbestehen, aber in der Zukunft sollte man in einer sauber integrierten All-IP-Welt zwischen Unicast und Multicast nahtlos wechseln können. 

Was steht für Sie aktuell als nächstes an?

Der Fokus liegt hierbei gar nicht so sehr auf der Technik, auch wenn wir aktuell sehr viel dort machen. Im ersten Schritt geht es um die Inhalte und darum, wie wir diejenigen Nutzer, die wir bisher nicht so stark erreichen, besser bedienen können.

Wenn wir diesen Weg konsequent weiterverfolgen, dann wird dies natürlich auf der Technikseite Folgen haben, da einige Verbreitungswege und andere Endgeräte stärker bespielt werden müssen. Das wird zu technischen Herausforderungen führen.

Die Personalisierung unserer Angebote ist dabei ein wesentlicher Faktor dafür, ein Publikum zu erreichen, das kaum noch lineares Fernsehen nutzt. Wenn wir jetzt als Beispiel die Startseite der Mediathek nehmen, müssten für verschiedene Zielgruppen eigentlich verschiedene Startseiten gebaut werden. 

Hier arbeiten wir daran, dies mit technischer Unterstützung möglich zu machen. Diese Personalisierung möchten wir aber anders gestalten als kommerzielle Anbieter, sie soll klar die Handschrift des ZDF tragen.


-AB
Bild: ZDF/Rico Rossival