„Offen für Integration bleiben“

Michael Pfitzner und David Cardinale, CGI Deutschland

Michael Pfitzner (Bild oben links) und David Cardinale von CGI Deutschland über Einsatzmöglichkeiten von KI im Newsroom.


In welchen Bereichen lässt sich KI im Newsroom heute bereits sinnvoll einsetzen?

Michael Pfitzner:

Wir beobachten seit etwa einem Jahr eine sehr starke Entwicklung, was das Interesse an KI-Lösungen betrifft, auch bei den klassischen Medien. Vor allem Streaming-Plattformen haben KI schon viel länger im Einsatz, um effizienter zu arbeiten und so Zeit und Kosten zu sparen. Daher ist die Implementierungstiefe bei jedem Unternehmen völlig verschieden. Während einige sehr forsch mögliche Einsatzbereiche ausloten, sind andere konservativer in der Herangehensweise.

Es besteht allerdings weitgehend ein Konsens darüber, welche Bereiche schon heute ohne großes Risiko einsatzbereit sind. Das ist zum einen der Bereich Übersetzung und Transkription, um Lokalisierungsprozesse zu beschleunigen. Dann wäre noch die Analyse von Bestandsdaten zu nennen. Man gibt einem Sprachmodell eigene Daten vor, um anschließend eigene Fragen zu stellen oder nach ähnlichen Themen zu suchen. Auch das Ableiten von Trends oder Themen, je nach Jahreszeit oder Region kann mit Hilfe der eigenen Daten mit einem KI-Modell erfolgen.

Für die Wagemutigeren spielt auch schon die automatische Textgenerierung, das Erstellen von Textvarianten, die Keyword-Generierung oder die automatische Erstellung von Newsmeldungen eine Rolle. Bei letzteren geht es vor allem um standardisierte Meldungen wie sie in den Bereichen Verkehr, Wetter, Finanzen oder auch im Sport vorkommen. Aber auch für Social Media lassen sich mit Hilfe von KI zum Beispiel Posts aus einem Beitragstext erstellen und automatisch veröffentlichen.

Wo besteht bei den aktuellen Anwendungen noch Verbesserungsbedarf?

Michael Pfitzner:

Nach aktuellem Stand ist beim Einsatz von KI immer noch ein Mensch da, der die KI-generierten Angaben vor der Veröffentlichung prüft. Je besser die KI-Lösungen werden, desto eher wird man dann an einen Punkt kommen, an dem man der KI selbständige Aufgaben zuweisen kann, etwa ihr die Zusammenfassung eines Sportereignisses anzuvertrauen. In den USA werden KI-Lösungen hier bereits viel breiter genutzt als bei uns.

In der Nachrichtenbranche gelten allerdings hohe ethische Standards, vor allem was Transparenz und Neutralität angeht. Daher ist man mit KI wesentlich zurückhaltender und benötigt eine solide Grundlage, um eine KI-Lösung zu bewerten.

Was die KI derzeit noch nicht gut beherrscht, sind Humor und Ironie. Oder auch das Erkennen kultureller Unterschiede, wo „zwischen den Zeilen“ gelesen werden muss. Hier ist die KI dem Menschen nicht ebenbürtig.

Was steht Kunden davon in OpenMedia bereits standardmäßig zur Verfügung, was ist geplant?

Michael Pfitzner:

Das ist definitiv etwas, woran wir arbeiten. Derzeit ist der Markt aber noch so stark in Bewegung, dass wir uns noch nicht auf eine standardisierte Lösung festlegen wollen. Viele Kunden haben auch schon KI-Lösungen im Einsatz. Für uns liegt daher eher der Fokus darauf, wie wir die Wünsche unserer Kunden in OpenMedia umsetzen, sprich die KI in den Workflow des Newsroom-Teams zu integrieren. Wir sind da sehr flexibel und richten uns danach, was sie gerade schon einsetzen. Aktuell sind zudem zwei PoCs in Vorbereitung.

Wir arbeiten darüber hinaus an der Implementierung von standardisierten Funktionen, die für viele Kunden einen Mehrwert darstellen. Das sind etwa Übersetzungen oder Keyword-Extraktion. Diese kann der Kunde aus der Preisliste hinzubestellen.

Mit welchen KI-Drittlösungen arbeitet OpenMedia zusammen?

David Cardinale:

Wir arbeiten mit vielen Partnern schon sehr lange zusammen, etwa mit Microsoft oder Condat. Dann haben wir eine Kooperation mit Google, auch mit Aleph Alpha besteht ein sehr enger Austausch, ebenso mit DeepVA und aiconix.

Zudem haben wir mit PulseAI eine eigene Plattform für Hyper-Automation, Conversational AI und Decision Making entwickelt. Die Plattform wird von uns intern selbst genutzt und ist offen für die Integration mit sämtlichen Herstellern.

Jeder Kunde kann also grundsätzlich seine eigenen Lösungen mitbringen. Hat er noch nichts im Einsatz, hören wir uns seine Anforderungen an und unterbreiten Vorschläge, wie diese umgesetzt werden können.

Michael Pfitzner:

Wir sehen unsere Rolle hier sehr stark als Berater des Kunden. Wir können eine Vielzahl von KI- und weiteren Lösungen integrieren und zeigen ihm Möglichkeiten auf, was, wo Sinn macht oder wo Einsparungen möglich sind.

KI/ML für Broadcaster: Welche „Vorarbeit“ muss der Kunde leisten, und zwar aus technischer und organisatorischer Sicht? Wie kann ihn CGI begleiten und unterstützen?

David Cardinale:

Grundsätzlich kann sich der Kunde für ein KI-Modell mit oder ohne Training entscheiden. Will er das KI-Modell selbst trainieren, müssen die Daten für das Training absolut sauber sein und entsprechend aufbereitet werden, damit Konsistenz und einheitliche Formatierung gewährleistet sind.

Dann sind technisch alle weiteren Systeme in der Media Supply Chain zu berücksichtigen, eventuell müssen Integrationen gebaut werden, damit diese zusammenfließen. Hierzu ist eine umfassende Analyse der Infrastruktur und Ressourcen erforderlich. Sind meine Server und die Infrastruktur ausreichend, muss ich erweitern oder eventuell Teile in die Cloud auslagen? Auch Sicherheitsaspekte und Datenschutzvorgaben spielen hier eine Rolle.

Die technische Seite ist allerdings aus unserer Sicht keine große Herausforderung, sondern eher die organisatorische. Es muss im Vorfeld genau festgelegt werden, für welche Anwendungsfälle die KI eingesetzt werden soll, um auf dieser Basis direkt das richtige Modell oder die richtige Applikation auszuwählen.

Dann sollte sich eine Testphase anschließen, um eine Messbarkeit zu haben, wie effizient sich die KI-Nutzung gestaltet, sodass man zu einem späteren Zeitpunkt bestimmen kann, was sich im praktischen Einsatz wirklich bewährt hat. Auch das technische Verständnis der Mitarbeitenden muss dabei berücksichtigt werden, eventuell sind weitere Change-Maßnahmen erforderlich, um alle mitzunehmen.

Auf Kundenwunsch hat CGI die richtigen Experten, um den Kunden zu allen o. g. Punkten umfassend zu unterstützen und zu beraten.

Welche Rolle werden aus Ihrer Sicht datenschutzrechtliche und ethische Vorgaben bei der weiteren Entwicklung und Implementierung von KI/ML-Lösungen spielen?

David Cardinale:

Ich denke, es ist vor allem wichtig, weiterhin Transparenz in die Systeme zu integrieren. Aktuell schreibt etwa ChatGPT Text und ich weiß nicht, woher er kommt. Wenn ich dann nach Quellen frage, bekomme ich möglicherweise Fantasieangaben. Es muss auf jeden Fall eine transparente Quellenangabe hinterlegt werden. Auch muss daran gearbeitet werden, dass keine Halluzinazionen vorkommen. Eine weiterer Arbeitsbereich betrifft Bias und Fairness, damit die KI-Modelle keine Vorurteile weiter verbreiten.

Michael Pfitzner:

Ich glaube, das bleibt ein schwieriges Thema. Wir befinden uns beim Thema KI gerade in einer ähnlichen Phase, wie bei der Einführung des Internets. Die Regelungen müssen mit den Anwendungsfällen wachsen. Vielleicht kann ein Künstler in Zukunft seinen Stil zur Nutzung in der KI lizensieren, sodass KI-generierte Imitate monetarisiert werden können. Oder rein KI-generierte Inhalte werden im Suchmaschinen-Ranking schlechter gestellt.

Man wird schauen müssen, wie sich der Bereich weiter entwickelt und welche neuen Impulse sich daraus ergeben. Aktuell geht die Entwicklung rasant voran und schon innerhalb eines halben Jahres hat sich in der Branche erheblich viel getan. War am Anfang in der Diskussion gerade bei vielen Kreativen noch von Abgrenzung die Rede, geht man jetzt bereits dazu über, die KI als helfende Hand zu akzeptieren. Ich persönlich sehe jedenfalls eher die vermehrten Chancen und bin überzeugt, dass sich vernünftige Regelungen finden werden.

-AB
Schmuckbild: Gerd Altmann, Pixabay
Portraits: CGI Deutschland