Mehr Effizienz im Produktionszyklus


 

Autor: Prof. Dietrich Sauter

 


Dr. Peter Thomas von Avid berichtete in einer FKTG-Regionalveranstaltung am 31. März 2014 in München über die Wünsche, Pläne und Anstrengungen, die das Unternehmen unternimmt, um die Wertschöpfungskette im Medienbereich und vor allem im Rundfunk, von der Komplexität zu befreien und eine höhere Agilität beim Wandel zu erreichen.

Das Beispiel der Autoindustrie und deren scheinbare Vielfalt, gleichbedeutend mit hoher Individualität für den Käufer, muss man nicht unbedingt als Vorbild für die Medienindustrie sehen. Die Ereignisse in der Nachrichtenwelt sind zum Beispiel nicht in Katalogen, Websites oder Videos verpackt und können nicht einfach angeklickt werden. Jedes Newsfeed ist ein Unikat. Die Art und Weise, wie es entsteht, kann jedoch verbessert werden.

Selbst eine industrielle Fertigung kann angestrebt werden, ist jedoch auf Grund der Aktualität nur schwer erreichbar.

Kommt die entscheidende Phase?

Das Thema, in den letzten 15 Jahren immer wieder angefasst und mit Lösungen bedacht, scheint nun endlich in eine entscheidende Phase zu treten [1]. Was sind die Probleme und daraus abzuleitende Konsequenzen? Eine Auflistung:

Herausforderungen
Als zentrale Herausforderungen formulierte Peter Thomas:

  • Eine engere Verbindung von Schaffenden und Konsumenten und eine einfache Interaktion mit den Inhalten entlang der gesamten Kette.

  • Die Freisetzung kreativer Energie durch ein hohes Maß an Integration der verwendeten Werkzeuge mit einer Automation der manuellen Prozesse.

Zentrale Probleme
Die zentralen Probleme liegen

  • bei einem hochgradig fragmentierten Anbietermarkt. Es gibt zu viele kleine Anbieter und keine wirkliche Dominanz von wenigen Firmen.

  • Die Standards für Integration und Austausch von Metadaten und Essenzen sind nicht fertig oder fehlen überhaupt.

Konsequenzen
Die Konsequenzen sind eine geringere Innovationskraft und -geschwindigkeit.  Es müssen unterschiedlichste produkt- und herstellerabhängige Benutzeroberflächen implementiert und die Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Das führt zu abweichender Implementierung vergleichbarer Funktionen, einem Mangel an Integration, übergreifender Suche und Interaktionen. Es gibt keine Dominanz von Firmen bei der Ausgestaltung.

Forderungen
Die Forderung lautet deshalb: Wir brauchen arbeitsablaufzentrierte und integrierte Lösungen und wir haben Kombinationen von zu wenig kompatiblen Individualprodukten.

Nichtlineares Arbeiten

Die traditionelle Wertschöpfungskette war linear, ein Schritt folgt auf den anderen, Rückkopplungen waren nicht vorgesehen (Bild 1 - dieses und alle folgenden Bilder per Mausklick vergrößerbar).

[caption align=left]Bild 1: Wertschöpfung gestern und heute (Quelle Avid)[/caption]

 

Durch die nichtlinearen Programmangebote wird nun die Kette neugeordnet. (Anmerkung zu nichtlinearer Verbreitung: Eigentlich muss es englisch heißen „random“ oder ereignis- bzw. zufallsgesteuert. Der Begriff „nichtlinear“ wird beim Schnitt im Film verwendet, wenn nicht in der zeitlichen Reihenfolge des Drehbuchs gearbeitet wird.)

Ziel der Rundfunkanstalten ist es, die Reichweite und damit die Marktanteile zu erhöhen. Dazu werden immer neue Werkzeuge eingesetzt und immer neue Metadatenformate entwickelt. Alles geht aber einher mit einem Abbau des Personals.

Die Nichtlinearität des Programmangebots ist bei den Rundfunkanstalten unterschiedlich entwickelt. Bei vielen ist als Neuausrichtung „Tri-Medialität“ in Planung.

Die neue Kette ist eine Art permanente Schleife von Media Asset Flow und Information.

  • Bei der Verschlagwortung sollen nicht mehr die Redakteure allein die Inhalte finden, auch der Konsument soll Zugang zum Archiv haben. Deshalb ist eine einfache Suche erforderlich.

  • Die Möglichkeit der ständigen Optimierung erfordert eine hohe Agilität. Die einfache Adressierung neuer Geschäftsmodelle und Formate ist dabei ebenso Voraussetzung wie die Zuverlässigkeit der verwendeten Werkzeuge.

Das Programmangebot der Rundfunkanstalten ändert sich heute schneller als in den vergangenen Jahren. Serien werden schon nach wenigen Folgen abgesetzt, da sie die Quote nicht erfüllen.  Die Produktion der Olympischen Spiele z. B. hat sich in den letzten Jahren ständig verändert. Heute ist sie näher am Sportler, während früher das Sportereignis allein maßgebend war. Die „nackten“ Nachrichten, die gesendet werden, sind für viele Menschen nicht neu, weil sie sie im Laufe des Tages bereits gehört oder gesehen haben. Aber die Rundfunkanstalten versorgen die Zuschauer mit zusätzlichem Hintergrund- bzw. Detailwissen und Kommentaren.

Avid Everywhere

Everywhere nennt sich die Vision von Avid. Diese „Media Central Platform“ besteht aus vier Grundbausteinen.

1. Media Services

  • System- und Standort mit übergreifender Suche,
  • Medienwiedergabe auf jedem Endgerät,
  • einfache Entwicklung von web-basierten Tools,
  • Inhalteaustausch in beliebigen Formaten.

 

2. Connectivity Toolkit

  • Andere Parteien in den Workflow einbinden,
  • Daten systemübergreifend verfügbar verwalten,
  • Echtzeitüberwachung.

 

3. Orchestrian Engine

  • Automatisierung der Arbeitsabläufe und Geschäftsprozesse mit flexibler Ressourcenallokation und einer metadatengetriebenen Entscheidungsfindung.

 

4. User Administration und Configuration

  • Einfache Aufschaltung durch Single Sign On mit rollenbasiertem Zugriff und einem zentralen Systemmanagement.

 

Durch eine Integration der verschiedenen Produkte in einer Plattform lassen sich die Aufgaben  „einhängen“. Dazu stellt Avid zur einfachen Anwendung entsprechende Werkzeuge zur Verfügung.

Integrationsplattform als Antwort

Eine Integrationsplattform ist die Antwort (Bild 2).

[caption align=left]Bild 2: Vorschlag Message-Bus (Quelle Avid)[/caption]

 

Sie ist nun nutzbar für Anwendungen aller Hersteller und Partner mit einem rollenbasierten, performanten, web-basierten Portal und einem transparenten Zugriff auf die verschiedenen Backendsysteme mit einer einheitlichen Integrationsschicht, die message-orientiert über einen Medienbus bedient wird.

Die einheitlichen Plattformdienste stehen allen Anwendungen zur Verfügung mit Medienwiedergabe, einem zentralen Index, einem User Management, einer Lizenzverwaltung, etc.

SDKs zur Anbindung von Backendsystemen und individuellen Diensten an den Medienbus zum Erstellen von Interaktionselementen für das Applikationsportal werden bereitgestellt.

Wesentliche Elemente der Plattform sind im Bild 3 dargestellt.

[caption align=left]Bild 3: Architektur der Software um den Medien-Bus (Quelle Avid)[/caption]

 

Open Source Software

Das Projekt kombiniert etablierte Open-Source-Software mit für die Medienindustrie relevanten Techniken, die von Avid und anderen Firmen entwickelt wurden und werden. Dies ist per Design anbieterunabhängig und offen und beachtet die FIMS Compliance (REST APIs).

Das Common Proxy Format und das Subsystem wurden in einer Spezifikation in Zusammenarbeit mit Harmonic und Amberfin erstellt und bei der SMPTE als empfohlene Proxydefinition eingereicht: MXF OP1 a Proxy Container; H.264 Video Essence; AAC Audio Essence. Es ist in der Plattform bereits implementiert, inklusive einer einheitlichen Proxy-Verwaltung und MP4 Re-wrap Workflows für sofortige Auslieferung. Die Spezifikation wird bereits von Partnern angewandt.

Architektur

Die Architektur enthält einen zentralen Index. Auf dieses Konstrukt werden die verschiedenen Elemente der unterschiedlichen Anwendungen gemappt. Der Aufbau hat die Form einer zentralen Repository (Bild 4), wie sie in CORBA schon angedacht war [2].

[caption align=left]Bild 4: Zentraler Index für alle Suchanfragen (Quelle Avid)[/caption]

Bei anderen Archivzugriffen, wie z.B. beim Medienbroker [3] erfolgt die Suche und der Zugriff dezentral nach dem jeweiligen Datenbankschema der angewählten Datenbank, die Ergebnisse sind dabei sehr aktuell, können aber erst nach Vorliegen aller Suchanfragen sortiert werden.

Keine verbindlichen Metadaten

Für die Metadaten stehen aber immer noch keine verbindlichen Standards zur Verfügung, obwohl propagiert wird, dass „Metadaten der King“ sind. In der Raumfahrt ist dieses Problem längst gelöst. In der Medienwelt gibt es rühmliche Versuche vom IRT mit BMF [4]. (Die schweizerische Rundfunkgesellschaft  SRF hat jetzt für sich einen Entwurf für den Metadatengebrauch auf der Basis von BMF erarbeitet.) Insgesamt hat es aber den Anschein, als hätten die Rundfunkanstalten immer noch zu viel Geld, um ein einheitliches Schema zu akzeptieren.

Bei den Bibliotheken hat die finanzielle Lage zu einer Einigung geführt. Es gibt auch Anstrengungen von Seiten der EBU, aber keinen Konsens unter den Rundfunkanstalten.

Fazit

Je leichter die Software angepasst werden kann, desto schneller kann sie ausgeliefert und verwendet werden. Das hilft neuen Projekten. Der ständige Wechsel ist die treibende Kraft.

Die vielen in der Vergangenheit geplanten Entwicklungen in CORBA, Java EE, ESB usw. haben in der Rundfunklandschaft zu keinem Ergebnis geführt. Somit kann man den Anstrengungen von Avid für die neue Entwicklung nur viel Erfolg wünschen. Hoffentlich trug dazu auch das Treffen  der Avid Customer Association in Las Vegas vom 4. bis 6. April vor der NAB bei. Das Thema lautete „Avid Connect“ [5]


Schrifttum/Links

[1] FKT Bd. 57 (2009) Nr. 8-9, S.735ff: Wilkens, H., Sauter, D., Informationstechnik in der Fernsehproduktion, „IT-based-Production“ und Havariekonzepte

[2] www.Corba.org

[3] www.ms2-gmbh.de/medienbroker.html

[4] www.irt.de/de/produkte-beratung/produktion/metadaten-bmf.html

[5] Medien Bulletin 3/2014, S.24ff