„Baukasten zur Problemlösung“

Christian Hirth, The Chainless

Christian Hirth, Geschäftsführer und Gründer von The Chainless, über sichere KI als Chance für den Kreativsektor.


Wie erlebt Ihr den aktuellen Boom zum Thema KI?

Natürlich spüren wir das deutlich. Wir sind ja bereits seit 2016 in dem Bereich aktiv und für uns bedeutet das vor allem, dass wir weniger Aufklärung über den Nutzen von KI und durch KI unterstützte Technologie-Lösungen betreiben müssen. Durch OpenAI und Chat GPT ist es jetzt bei einer breiteren Basis von Menschen angekommen, in wie vielen unterschiedlichen Bereichen KI eingesetzt werden kann. Und natürlich, wie sie den Kreativsektor wirksam unterstützen kann. Es geht dabei eben nicht nur um Automatisierungstechniken, sondern um das Lösen alltäglicher Problemstellungen.

Es gibt ja prominente Stimmen, die eine Pause bei der KI-Entwicklung fordern. Ist das zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll?

Es ist aus meiner Sicht unmöglich, die Entwicklung aufzuhalten. Da bringt auch ein halbes Jahr Pause nichts. Regulierungen sind allerdings wichtig, denn KI ist ein Werkzeug, das ich für gute, aber auch schlechte Dinge einsetzen kann. Ähnlich wie ein Messer oder auch Feuer. Es müssen daher Regeln definiert sein, die einen vertrauensvollen Umgang mit KI ermöglichen und die Datensicherheit der Plattform gewährleisten. Und diese Regeln müssen für alle gelten, auch für die großen Anbieter.

Die europäische Union will mit dem AI Act den Einsatz von KI reglementieren. Bedeutet das für Unternehmen, die KI einsetzen, ähnlich viel Bürokratie wie bei der DSGVO?

Bei der Definition von Regulierungen muss natürlich genau abgewägt werden, wie Innovationen trotzdem sinnvoll gefördert werden können. Dazu gehört zum Beispiel klar zu benennen, welche Services eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Start-ups werden durch diese Regulierungen sicher ein paar Steine in den Weg gelegt werden, aber das gehört eben mit dazu. Ich denke aber, die ganze Thematik wird, ähnlich wie im Falle der DSGVO, im Vorfeld viel kritischer betrachtet, als es dann in der Praxis tatsächlich sein wird. Es wird sich alles einspielen.

In welchen Bereichen werden Deiner Meinung nach die Fähigkeiten von KI für den Einsatz im Medienbereich in den nächsten Jahren am schnellsten wachsen?

Es werden vor allem kreative Prozesse unterstützt. Bei den Technology Innovation Days hat Alexander Heidler von Microsoft in seinem Beitrag sehr gut aufgezeigt, wie viel Zeit wir eigentlich regelmäßig mit repetitiven Aufgaben verschwenden. KI-Systeme können da zum Beispiel helfen, kreative Prozesse vorzubereiten oder Daten viel genauer zu analysieren. Das kann für ganz unterschiedliche Felder wie Business Intelligence oder redaktionelle Prozesse eingesetzt werden, als Vorbereitung und Optimierung der alltäglichen Arbeit.

Auch Adobe Firefly ist ein gutes Beispiel dafür, wie Kreative bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Aus einer Vorstellung wird ein Prompt und die KI erzeugt daraus etwas, das gut aussieht. Der Mensch, der den Prompt eingibt, lenkt aber den kreativen Prozess. So können wir dem rasant wachsenden Bedarf an neuem Content gerecht werden und dabei trotzdem die Qualität halten.

KI unterstützt aber nicht nur dabei, neuen Content zu erzeugen, sie hilft auch bei der Monetarisierung von bestehendem Content und zeigt auf, wie man mehr daraus machen kann. Aber mit KI lassen sich natürlich auch komplexe Compliance-Themen angehen. Und, last but not least, hilft die KI beim Fachkräftemangel, denn so kann Wissen für neue Mitarbeitende bewahrt werden.

Du warst mit einem Use Case zu Eurem Projekt mit dem Bayerischen Rundfunk bei den Technology Innovation Days und dem Hallo Hybrid Event. Was macht dieses Projekt so besonders?

Zunächst einmal ist die KI-Lösung beim BR schon sehr lange im Einsatz - über drei Jahre, mit einem Vorlauf von etwa einem Jahr, es stehen also sehr viele Daten zur Verfügung. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir zusammen mit dem Nutzer an Lösungen arbeiten. Wir wählen gemeinsam das richtige Toolset aus, das den größten Benefit bietet. Der BR hat schon sehr früh auf den Aufbau von KI-Expertise gesetzt und investiert, obwohl die Ausgangslage zunächst unklar war. Jetzt profitiert man davon, den ersten Schritt so schnell gegangen zu sein. Die Berufsfelder verändern sich, die Dokumentarinnen und Dokumentare haben neue Aufgaben hinzubekommen.

Aber unsere Lösungen sind natürlich auch bei anderen Sendern im Einsatz. Oder auch in einem ganz anderen Umfeld, wie bei der Polizei oder auf kommunaler Ebene.

Wie wird sich DeepVA weiterentwickeln?

Wir wollen die Plattform dort hinbringen, dass sie den Nutzer in die Lage versetzt, auf zukünftige Themen stärker einzugehen. Das bedeutet auch Open Source für die Community einzubringen, sodass die Nutzer für heutige Probleme einen Baukasten zur Verfügung haben, mit dem sie sie lösen können. Gleichzeitig sollen sie immer auch die Möglichkeit haben, auf zukünftige Problemstellungen eingehen und sich für die Zukunft aufstellen zu können.

Und natürlich wollen wir weiter an unserer Mission arbeiten, gemeinsam mit Partnern die Integration sicherer KI-Lösungen voranzutreiben. Insgesamt haben wir bislang mit über 25 Partnern Integrationen durchgeführt. Das ist ein sehr komplexer Prozess, der oftmals mehrere Monate bis zu einem Jahr dauern kann. Denn gerade im Broadcast ist Stabilität besonders wichtig.

Für den deutschsprachigen Bereich ist unsere Plattform inzwischen überall getestet, auch in Norwegen, Belgien und UK. Die Internationalisierung ist also bereits angelaufen.

-AB
Teaserbild: Gerd Altmann, Pixabay
Bild links oben: Christian Hirth, The Chainless