„Alte und neue Welt zusammenbringen“

Robin Ribback, SWISS TXT

Robin Ribback, Leiter Innovation & Research bei SWISS TXT, im Interview über die Idee zum Future Media Hub und die Bewahrung sprachlicher und kultureller Diversität in Europa.
 



Wie ist die Idee zum Future Media Hub und der engen Zusammenarbeit mit der EBU und EU entstanden?

Ich bin ja schon seit sieben Jahren bei SWISS TXT aktiv in zwei Richtungen: Zum einen im Bereich Collaborative Developments, hier geht es um Projekte, die in Zusammenarbeit mit der EBU oder der EU realisiert werden. Zum anderen im Bereich der gesamten SRG SSR Gruppe. 

Wir sind sehr stark regional aufgestellt und die Zusammenarbeit ist dabei ein wichtiges Thema, sowohl in den Regionen als auch zwischen den einzelnen Säulen des Unternehmens. Das ist aber ein Kernproblem, dass sich nicht nur bei der SRG SSR herauskristallisiert hat, sondern bei allen öffentlich-rechtlichen Medienhäusern aufgrund ihrer gewachsenen Strukturen besteht.

Insgesamt gibt es drei wesentliche Unternehmenssektoren, die zusammengebracht werden müssen: die „alte Welt“, d. h. die klassische IT-Infrastruktur mit Themen wie Rechenzentren, Kabelverlegung usw., die digitale „neue Welt“ mit allen Themen rund um Social Media, Web 3.0 usw. und der gesamte Bereich Content. 

Zwar heißt es „Content ist King und Queen“, aber in einer digitalen Welt wird die Technik doch zum Königinnenmacher. Dieser Bedarf der Zusammenarbeit zwischen diesen drei Sektoren beisteht bei uns in der SRG SRR Gruppe, aber auch bei anderen Broadcastern und innerhalb der EBU. 

Als besonderer Punkt bei der SRG SSR kommt hinzu, dass wir nicht nur regional, sondern auch sprachorientiert organisiert sind. Insgesamt gibt es vier Sprachregionen mit Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Wir müssen also nicht nur Brücken zwischen Technik - Digital - Content bauen, sondern auch die kulturellen Unterschiede innerhalb der einzelnen Regionen berücksichtigen. Und das geht nur, indem alle aufeinander zugehen. 

Durch den Austausch zum Thema Zusammenarbeit bin ich im letzten Jahr von der EBU Technical Assembly zum TC Member gewählt worden. Insgesamt zwölf Fachleute plus Chair im Steuerungsausschuss Technology & Innovation geben dem CTO Input zu den verschiedenen Themen.
 



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Zu den Themen der Zusammenarbeit gehören 2023+ zum einen die Cloud- und datengesteuerte Umgebungen, zum anderen Web3.0 und Metaverse - ein sehr breites Feld. Wie sieht die Gewichtung der einzelnen Themen genau aus?

Der Schwerpunkt liegt bei uns auf den digitalen Medien. Diese müssen mit der klassischen IT harmonisiert werden, und zwar aktiv und user-zentrisch. Das klingt logisch, ist aber in der Praxis mit allein über 40 verschiedenen Arbeitsgruppen im Technikbereich eine Herausforderung. Dieses Mindset muss auch gegenüber dem Management repräsentiert werden.

Inhaltlich beschäftigen wir uns vorwiegend mit den Themen Blockchain, Dezentralisierung und Monetarisierung sowie natürlich dem Metaverse mit 3D-Repräsentation und den Auswirkungen auf unsere Geschäftsfelder mit dem Ziel, eine strategische Ausrichtung zu entwickeln. 


Umfasst das auch den Aufbau einer eigenen, öffentlich-rechtlichen Social Media-Plattform?
Die SRG SSR engagiert sich aktuell gemeinsam mit dem ZDF und Radio Canada auch in einem Projekt, dass eine stärkere Bürgerbeteiligung zum Ziel hat. Ob dies dann dazu führt, dass eine eigene Social Plattform entsteht, wird die Zeit zeigen. Klar ist aber auch, wir benötigen eine Art „Leitplanke“ für unsere Medienhäuser. Das war bis dato immer das lineare Fernsehen. Diese Plakatierung ist zwar immer noch da, aber hochgradig diversifiziert.

Dass es zu diesem Projekt auch negative Kommentare aus den Medien oder der Politik gibt, gehört dazu. Diese Kritik nach dem Motto „Wofür brauchen wir das?“ gab es immer schon. Die SRG SSR als Verein mit öffentlich-rechtlichem Auftrag und auch die anderen öffentlich-rechtlichen Sender haben aber die grundlegende Aufgabe, Informations- und Kulturangebote für alle bereitzustellen.
 
Für diesen Grundauftrag geben wir Geld aus. Aber wir haben vergessen, aktiv darüber zu sprechen, warum wir etwas tun. Und lange wurde auch unterschätzt, dass wir manche Menschen mit unseren Angeboten nicht mehr erreichen. Kommunikation ist wichtig, um möglichst alle mitzunehmen. Dazu gehören auch barrierefreie Medienangebote wie wir sie bei SWISS TXT erstellen.

Neben der Bereitstellung des Medienangebots übernehmen alle EBU-Mitglieder aber noch viele andere Aufgaben: Wir sind Filmförderer, Kulturförderer, und Förderer des Spracherhalts. Europa ist divers, besteht aus ganz vielen Sprachen. Jedes Land in Europa hat mindestens eine Minderheit, die ihre eigene Sprache spricht. Den Schutz für diese Minderheitensprachen müssen wir uns auch auf die Fahne schreiben.

Logo Future Media Hub

Zu den Ideen des FMH gehört ja ebenfalls die Förderung von Talenten z. B. durch Austauschprogramme und Networking. Welche Rolle könnten da nationale Vereine wie die FKTG spielen? 

Zunächst müssen wir zwei wichtige Elemente verstehen: Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sind sehr große Arbeitgeber. Die Mitglieder der EBU beschäftigen insgesamt etwa 150‘000 Menschen, ungefähr 30.000 davon sind technische Mitarbeitende. Darunter sind eine Menge talentierte Techniker*innen mit spezifischer Erfahrung. Bei der EBU arbeiten wir daher darauf hin, ein Austauschprogramm zwischen den einzelnen EBU-Mitgliedern auf die Beine zu stellen. Dann könnte jemand von der BBC zur SRG oder auch zur NHK nach Japan kommen und umgekehrt. Das verändert den Blickwinkel.

Der zweite Bereich ist die Harmonisierung der Ausbildung. Wir haben zum Beispiel in der EBU Akademie inhaltlich sehr hochwertige Ausbildungen, die aber international schwer vergleichbar sind, da sie z. B. keine akademischen Credits gewähren. Daran arbeiten wir, damit diese mit universitären Studiengängen harmonisiert und vergleichbar werden.

Die FKTG sehe ich als guten Kommunikator, zumal der Verein ja auch moderner werden möchte. In der Zusammenarbeit könnten so Projektteams entstehen, die sich gemeinsam zu bestimmten Themengebieten austauschen. 

Ein weiterer Punkt betrifft die Veränderungen im Journalismus. Heute müssen Festangestellte mit vielen Freiberuflern zusammenarbeiten. Weiterhin kommen noch Beiträge aus Bürgerjournalismus und weiterer User-Generated-Content dazu. Hier muss ein Weg gefunden werden, das Vertrauen in die von den unterschiedlichen Quellen erstellten Inhalte zu garantieren. Das heißt, mit Hilfe von Web 3.0-Technologien, Stichwort Distributed Ledger, fehlendes Vertrauen zu kompensieren und die Quelle zurückzuverfolgen.


Ein Testprojekt ist ja die Nutzung der Viima Innovation Management-Lösung. Was macht dieses Tool besonders geeignet für das Medienumfeld? Was sind die Erwartungen? 

Die Broadcaster der nordeuropäischen Staaten, Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland, sind, was die Aufhebung der Grenzen zwischen „digital und IT“ angeht, relativ weit fortgeschritten. Denn, auch wenn die Themen „digital und IT“ im normalen Sprachgebrauch synonym verwendet werden, sind sie es im Broadcast eben nicht. Wie eingangs erwähnt ist die „IT“ hier mit Rechenzentren, Kabelverlegung und anderem konnotiert, der Bereich „Digitales“ mit Youtube und anderen Plattformen. 

Will man diese Trennung aufheben, kann das nicht von oben verordnet werden. Es muss ein Weg gefunden werden, im Unternehmen Innovation zu fördern. Das Unternehmen muss als „Facilitator“ agieren. Ideen, gleich woher sie kommen, müssen möglichst einfach gesammelt werden. Die Viima-Lösung wurde inzwischen auch speziell auf den Broadcast-Bereich zugeschnitten, und deswegen wollen wir sie testen.

Wir wollen zunächst einmal Daten sammeln, aus denen sich dann dank der Schwarmintelligenz eine Präsenz für bestimmte Themen entwickelt. Und dann werden sich Strategiebeauftragte damit auseinandersetzen. Wichtig ist erst einmal eine Rückkopplung.


Wann wird denn diese übergreifende Zusammenarbeit aller Bereiche abgeschlossen sein? 

Es ist noch ein langer Weg und, da wir alle, inklusive der User draußen, mit einbeziehen wollen, ist noch nicht abzusehen, wie lange es wirklich dauert. Ich bin mir relativ sicher, dass ich das Ende unserer Bemühungen nicht mehr erleben werde. Das werde ich dann an die nächste Generation übergeben. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

-AB
Teaser-Bild: JL G, Pixabay 
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