Gestalter für immersive Medien: Ein Beruf entsteht

Helge Berlitz-Olle

FKTG im Gespräch mit Helge Berlitz-Olle, Oberstudienrat an der BS19 Beruflichen Schule Farmsen, über die Hintergründe des neuen Berufsbilds.


Wie kam es zur Entwicklung des neuen Berufsbilds Gestalter für immersive Medien?

Wir haben bei der Neuordnung des Berufsbilds Mediengestalter Bild und Ton 2019 festgestellt, dass immersive Medien immer mehr im Kommen sind. Eine tiefgreifende Beschäftigung mit diesem Thema wäre aber in diesem Bildungsgang gar nicht mehr möglich, da die Bereiche Schnitt, Kamera und Studio schon sehr viel Raum einnehmen. Beim Mediengestalter Digital und Print, der ebenfalls neu geordnet wurde, sah die Stoffdichte ähnlich aus; es gab einfach keine Möglichkeit, ein weiteres so großes Feld vernünftig abzudecken. 

Eine Voruntersuchung des  Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) von Dr. Heike Krämer und Ulrike Azeez [1] hat dann klar herausgestellt, dass es einen Bedarf für Fachkräfte im Bereich der immersiven Medien gibt und es sich lohnen würde, dafür eine eigene Ausbildung anzubieten. Danach haben wir schon mit der Arbeit in den Gremien begonnen.


Für welche Branchen wird der größte Bedarf erwartet?

Wir sehen momentan die größten Chancen in den Bereichen Film und TV, im Gaming, bei Werbeagenturen oder in Unternehmen mit großem Marketing- und Werbebudget. Der Bereich Virtual Production ist zwar bereits an den Mediengestalter Bild und Ton angedockt, aber nicht vom gesamten Workflow her. Hier käme dem Gestalter für immersive Medien eine Schlüsselposition zu, da er alle involvierten Gewerke überblicken kann.

Neben den Kreativbranchen liegt ein weiterer möglicher Einsatzbereich in Betrieben mit Konstruktionsbedarf, die über eigene Entwicklungsbüros verfügen. Der Gestalter für immersive Medien kann praktisch überall dort, wo mit  3D-Modellen gearbeitet wird und neue Modelle konstruiert werden, zum Einsatz kommen.


Wie wurde denn die neue Ausbildung erarbeitet? 

Grundsätzlich ist es bei der Gestaltung neuer Ausbildungsberufe so, dass zwei Ausschüsse involviert sind, die unter der Leitung des BIBB und der Kultusministerkonferenz zusammenarbeiten: Zum einen sind das Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, zum Beispiel der IHK, von Verbänden und aus Betrieben sowie der Gewerkschaften, die für die Erarbeitung einer Ausbildungsordnung zuständig sind; zum anderen die Sachverständigen aus den Ländern, also die Lehrkräfte an den beruflichen Schulen, die den Rahmenlehrplan der schulischen Ausbildung entwickeln. 

Beide Ausschüsse arbeiten bei der Entwicklung der Ausbildungsinhalte Hand in Hand. Es werden berufliche Situationen angeschaut und diese dann entsprechend in den praktischen und schulischen Ausbildungsteil eingearbeitet.
 

Wie läuft die Ausbildung zum Gestalter für immersive Medien insgesamt ab? 

Aktuell gibt es noch kein Curriculum, das veröffentlicht werden kann. Allerdings wird demnächst eine Kurzinformation erscheinen, die den neuen Beruf vorstellt. Rahmenlehrplan und Ausbildungsordnung folgen dann Anfang nächsten Jahres. Es ist generell bei neuen Berufen so, dass erst eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgen muss. 

Wir sind gerade mit einigen Freiwilligen dabei, Infoveranstaltungen zu organisieren, auf denen interessierte Ausbildungsbetriebe mehr über das neue Berufsfeld erfahren können. Dabei geht es um Dinge wie Tätigkeitsbereiche, Handlungsfelder, wie lange die Ausbildung dauert usw. Dann wird es spannend,  wie viele Unternehmen auf dieser Grundlage tatsächlich Ausbildungsplätze anbieten wollen.


Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden gesetzt?

Eine große Herausforderung bei der Umsetzung von XR-Projekten ist die dreidimensionale Darstellung. Der Umgang mit 3D-Programmen ist zwar auch in den beiden anderen Mediengestalterberufen schon Gegenstand der Ausbildung, allerdings nicht in dem erforderlichen Maße. 

Für den Gestalter für immersive Medien wird in mehr als die Hälfte der Ausbildungszeit der Fokus auf 3D liegen. Eine Beschäftigung in nur wenigen Wochen reicht nicht aus, da sind sich die Schulen und die Vertreter aus der Praxis einig.

3D-Modelle kommen in immer mehr Anwendungsfällen zum Einsatz. Von der beruflichen Bildung über Reisen bis hin zu Präsentationsmedien und Konferenzen - und in vielen weiteren, die man für gewöhnlich gar nicht direkt auf dem Schirm hat. So breit gefächert wie die Anwendungsmöglichkeiten muss auch die theoretische und praktische Ausbildung in diesem Bereich sein.

Eine weitere Besonderheit ist, dass es unter den XR-Unternehmen relativ viele junge Betriebe gibt. Die meisten Gründer oder Beschäftigten sind Quereinsteiger aus Studium und Praxis, die nun ihre Fachkräfte ausbilden wollen. 


Wird es in Zukunft die Möglichkeit geben, sich branchenspezifisch ausbilden zu lassen bzw. wird es Weiterbildungsmöglichkeiten für bestimmte Themen geben?

Der Gestalter für immersive Medien wird zunächst ein Monoberuf sein, also ohne Spezialisierung. Wir müssen einfach erst schauen, wie groß das Interesse der Unternehmen ist, überhaupt auszubilden. In einigen Jahren könnte es dann durchaus die Möglichkeit geben, sich für eine Fachrichtung zu spezialisieren. 
 

Grundsätzlich ist es erst einmal so geplant, dass der Beruf mit dem Mediengestalter Bild und Ton im ersten Ausbildungsjahr zusammen beschult wird. Die Grundausbildung ist also fast gleich, nur bekommt der Gestalter für immersive Medien noch ein bisschen mehr „on top“. Er oder sie muss den 3D-Bereich schon mal mitdenken. 
 

Inhaltlich konkurriert die Ausbildung ja durchaus auch mit gestalterischen Studiengängen. Wie grenzt sich die IHK-Ausbildung hier ab? 

Ich sehe den Gestalter eher als Zuarbeitenden, der mit seinem Überblickswissen alle Gewerke in einer XR-Produktion zusammenführt. Er oder sie bringt Grundlagen der Gestaltung und Konzeption sowie der Technik mit und kann z.B. dem UX Designer zuarbeiten. Letztere kommen ja meistens aus den 3D-Design-Studiengängen. Die Branche wird sich also insgesamt mit der neuen Ausbildung weiter professionalisieren.


Wie sieht es mit den bestehenden Ausbildungen Mediengestalter Bild und Ton oder Mediengestalter Digital und Print aus? Werden diese vermutlich irgendwann durch die Ausbildung Gestalter für immersive Medien abgelöst?

Die Kompetenzen im Bereich der Mediengestaltung sind bei allen drei Ausbildungsgängen enorm, da sehr viele Bereiche abgedeckt werden. Von daher sehe ich vorerst nicht, dass es hier eine Zusammenlegung oder Verdrängung, wie auch immer geartet, geben wird.


Wann beginnt die Ausbildung zum Gestalter für immersive Medien und wie viele Ausbildungsplätze werden zum Start erwartet?

Als Ausbildungsstart ist der 1. August 2023 vorgesehen. 

Bezüglich der Ausbildungsplätze müssen wir erst abwarten, wie das Interesse generell aussieht. Im letzten Jahr ist die Studie „Cross Reality in Deutschland 2021“ [2] erschienen. Diese zeigt die Entwicklung der XR-Branche und die Beschäftigungsstruktur sowie die regionale Verteilung ist. Hier haben die Ballungszentren in Berlin, München, Hamburg, Köln, Düsseldorf und Stuttgart die Nase vorn. In diesen Regionen erwarten wir auch den größten Zuspruch.

-AB
Teaserbild: Pixabay
Portrait: Helge Berlitz-Olle


Literatur

  • [1] Krämer, Heike, Dr.; Azeez, Ulrike: „Voruntersuchung zum Bedarf beruflicher Qualifizierung für die Gestaltung immersiver Medien.  Entwicklungsprojekt: Abschlussbericht“. Link zum Download
  • [2] Zabel, Christian Prof. Dr.; Heisenberg, Gernot Prof. Dr.; Telkmann, Verena (M.A.): „Cross Reality in Deutschland 2021“. Link zum Download