Digitalisierung im Hörfunk – Status quo und Ausblick

Das Radio zählt nach wie vor zu den beliebtesten Medien, und das generationsübergreifend. Doch wie krisensicher ist man für die Zukunft aufgestellt und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?


2021 war für DAB+ ein erfolgreiches Jahr. Zehn Jahre nach der Einführung des neuen Standards zur digitalen terrestrischen Radiodistribution verkündete das Digitalradio Büro Deutschland erst im Dezember das beste Jahr seit 2011, sah den Aufwärtstrend des Vorjahres bestätigt. Um rund 30 Prozent stieg demnach 2021 die Anzahl von DAB+ Empfangsgeräten. Insgesamt seien 21,7 Millionen Geräte im Einsatz. [1]

Bereits 20 Prozent aller Zuhörer nutzen demnach bereits regelmäßig DAB+ Programme. Mehr als jeder vierte Haushalt (27 Prozent) könne inzwischen DAB+ empfangen, ein Plus von 1,1 Millionen gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt könnten deutlich über 11 Millionen Haushalte DAB+ empfangen, heißt es.

In seiner Veröffentlichung stellt das Digitalradio Büro Deutschland besonders das Engagement der Privatsender heraus, die ihre Zielgruppenprogramme national oder regional über DAB+ verbreiten. Doch nicht nur die privaten, auch die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihr deutschlandweites und regionales DAB+ Angebot in den letzten Jahren stetig weiter ausgebaut.

Mobile Radionutzung: Auf der Suche nach Benutzerfreundlichkeit

Im Blick waren bei der Einführung des neuen digitalen terrestrischen Standards vor allem auch die mobilen Nutzungsmöglichkeiten, etwa beim In-Car Entertainment. Bereits seit 2020 werden Neufahrzeuge laut einer EU-Richtlinie inzwischen ausschließlich mit DAB+ Radiogeräten ausgestattet, die allerdings ebenso über UKW verfügen. Denn nach wie vor steht noch kein Abschaltdatum für die analoge Programmverbreitung fest, an der man voraussichtlich noch einige Jahre festhalten wird. [2]

Doch ob analog oder digital: Bei der Sendersuche im Auto macht sich oft noch Frust breit: Laut einer Studie zur mobilen Audionutzung der Landesanstalt für Medien NRW klagte über ein Drittel der Befragten über Schwierigkeiten, den gewünschten Radiosender im Auto zu finden. Auch die Jüngeren gaben an, sich benutzerfreundlichere Lösungen zu wünschen, die Radiosender vollständig anzeigen oder das leichtere Speichern von Favoriten oder Lieblingssendern ermöglichen. [3]

Dass das klassische Radio in der Hörergunst einbrechen könnte, ist, vielen Unkenrufen zum Trotz, noch nicht absehbar. Denn das Radio ist nicht nur als Begleitmedium im Auto oder zuhause beliebt, sondern wird vom Verbraucher als besonders vertrauenswürdig eingestuft. Zu dem Schluss kommt eine EBU-Studie aus 2021, die auf der Website der Radiozentrale zusammenfassend dargestellt ist. Demnach vertrauen rund 70 Prozent der Deutschen dem Radio – ein Spitzenwert, weit vor allen anderen Medien. [4]

 

Radio: Zielgruppengerechtes Programm linear und online


Hinzu kommt: Das Radio im digitalen Zeitalter ist geradezu prädestiniert für zielgruppengerechte Medienangebote. Davon zeugen nicht nur die vielen lokalen und regionalen Anbieter, sondern auch der Erfolg national ausgestrahlter Informations-, Kultur- bzw. Spartensender. Viele Sender nutzen zudem bereits die kreativen Möglichkeiten des Internets abseits der linearen Distribution und verbreiten ihre Angebote teils über Webchannels oder produzieren Themen-Podcasts.

Erst kürzlich kündigte zum Beispiel das junge, europäische Kulturprogramm COSMO des WDR in Zusammenarbeit mit Radio Bremen und dem rbb den Ausbau seiner digitalen Aktivitäten an. 50 Prozent seiner Investitionen sollen künftig in digitale Angebote gehen, um so das veränderte Nutzungsverhalten des Publikums zu reflektieren. Besonders für die mehrsprachigen Angebote möchte man auf für die jeweilige Community zugeschnittene Podcasts zurückgreifen. [5]

Doch nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender, auch viele private Radiostationen haben in den letzten Jahren kreative Online-Projekte entwickelt. Auf den Lokalrundfunktagen 2020 (Online Special) haben einige lokale Radiomacher ihre Projekte vorgestellt, die in den Anfangszeiten der Pandemie entstanden sind und die eindrucksvoll die Dynamik und den Ideenreichtum gerade auch der lokalen und regionalen Sender zeigen. [6]

Radiosender unter Druck

Bei aller Kreativität in der Programmgestaltung zeigen die Beispiele aber auch die großen Anstrengungen und den finanziellen Druck vieler Sender: Denn während des Lockdowns mussten viele in Windeseile ihre technische Ausstattung aufrüsten, um mit der Remote-Produktion aus dem heimischen Wohnzimmer zu starten. Zu diesen Investitionen in die Technik gesellten sich häufig Finanzierungssorgen aufgrund weggefallener oder stark zurückgegangener Werbeeinnahmen, was besonders die privaten Radiosender stark getroffen hat.

Sterben also die werbefinanzierten Lokalradios analog zu den Innenstädten? Eine zumindest naheliegende These, deren Wahrheitsgehalt in den nächsten Jahren auf dem Prüfstand steht. Auch ob sich die Konzentration im Radiomarkt mit dem Wegfall analoger Verbreitung verstärkt, wird erst in etwas fernerer Zukunft zum Tragen kommen. Dann wird man auch sehen, ob es zu einem weiteren Kampf um Frequenzverteilung zwischen Mobilfunk und linearem Radio kommt.

Hörfunk, quo vadis?


Dem Thema Zukunft des Radios widmet sich auch ein aktueller Beitrag von Autor Wilfried Urbe in der taz. [7] Er zeigt auf, in welchem Dilemma der klassische Hörfunk in Deutschland steckt, denn das Radio finde, so beklagt es ein im Artikel zu Wort kommender Experte, im öffentlichen Diskurs in Deutschland kaum statt. Vielleicht ein Zufall, aber die Aussage indirekt unterstützend, ist der letzte Eintrag der Bundeszentrale für politische Bildung zum Themenfeld „Zukunft des Radios“ aus dem Jahr 2008. [8]

Doch der Blick über den eigenen Tellerrand zeigt, dass das Radio eine sehr aktive Community hat, etwa auch im Nachbarland Frankreich. Dort startet in der nächsten Woche die Radioweek 2022 (17.-22. Januar). Im digitalen Format und mit fünf Thementagen kommen inhaltliche und technische Fragestellungen zur Sprache [9]. Und auch Freunde des Lokalradios in Deutschland müssen nur noch bis zum Sommer warten: Am 5. und 6. Juli stehen die Lokalrundfunktage 2022 auf dem Programm. Zeit, mehr über die Zukunft des Radios zu diskutieren.


- Redaktion FKTG/Angela Bünger

 

Quellen:


[1] https://www.dabplus.de/2021/12/15/digitalradio-dab-2021-mehr-programme-mehr-reichweite-mehr-abverkauf/

[2] https://www.deutschlandfunk.de/digitalradio-dab-schluss-mit-ukw-aber-wann-100.html

[3] https://www.medienanstalt-nrw.de/presse/pressemitteilungen-2021/2021/november/mobile-audionutzung-wer-hoeren-will-muss-suchen.html

[4] https://www.radiozentrale.de/studien-and-trends/studien/radio-weil-es-eine-frage-des-vertrauens-ist/

[5] https://presse.wdr.de/plounge/radio/cosmo/2022/01/20220110_cosmo_goes_digital.html

[6] https://lokalrundfunktage.de/lokalrundfunktage-online-special/

[7] https://taz.de/Digitalisierung-im-Rundfunk/!5823731/

[8] https://www.bpb.de/73784/radio-der-zukunft

[9] https://www.radio-week.com/programme