Das IRT wird abgewürgt - begeben sich ARD und ZDF in Abhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen?

Ein Kommentar von Jürgen Burghardt.

Viele Jahrzehnte war das Institut für Rundfunktechnik in München ein Garant für gute technisch-wissenschaftliche Arbeiten zur Weiterentwicklung von Technologien für Rundfunk, Fernsehen und elektronische Medien. Die ARD-Anstalten, das ZDF sowie das schweizerische und österreichische Fernsehen konnten als Gesellschafter auf renommierte, unabhängige Ingenieure und Wissenschaftler bei allen Entscheidungen in technologischen Fragen vertrauen.

Der öffentliche Auftrag, neutral und unabhängig zu agieren traf natürlich auch für die technischen Entwicklungen im IRT zu. Und diese technischen Weiterentwicklungen der elektronischen Medien nahmen und nehmen weiter bekanntermaßen zu und nicht ab. Auch ARD und ZDF müssen sich den Marktanforderungen anpassen und die eingesetzte Technologie zur Produktion, Verbreitung, Archivierung und für neue programmliche Angebote technologisch weiterentwickeln, das ist unbestritten. Aber wieso begibt sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Schließung des IRT in eine Abhängigkeit von externen und ausschließlich wirtschaftlich agierenden Technologie-Unternehmen? Wäre dadurch nicht sogar eine Verletzung des Unabhängigkeitsgebotes gegeben?

Ein Blick in die Vergangenheit lohnt sich

Noch Anfang der 2000er Jahre waren technische Entwicklungen Treiber für Innovationen in der Medienproduktion. Die technischen Entwicklungen, vor allem das Internet, leistungsstarke Consumer Geräte und die Streaming Dienste ermöglichten in den Jahren danach immer preiswertere und vielfältigere Programmangebote. In der Folge bestimmten das Programm und die Redaktionen immer stärker, welche Technik zum Einsatz kam. Fast schien es, als ob Technik zur Nebensache werden könnte. Dies hat sich als Illusion herausgestellt, denn eine professionelle Medienproduktion bedarf einer professionellen technischen Ausstattung. Heute hat sich ein Verhältnis zwischen Programm und Technik eingespielt, das auf Augenhöhe aufeinander angewiesen ist. Mal ist das Programm Treiber und fordert neue Technik für neue Formate, mal ist es neue Technologie, die es Programmemachern ermöglicht, neue Formate zu entwickeln. Die Rollen von „Drivern“ und „Enablern“ können nicht mehr eindeutig zugeordnet werden und wechseln sich immer wieder ab. Das IRT hat diese Partnerrolle für die Programmentwicklung hervorragend wahrgenommen und sollte diese auch zukünftig wahrnehmen.

HbbTV ist hier ein prominentes Beispiel, eine Technologie für zusätzliche interaktive Dienste für das Fernsehen mit ganz neuen Nutzungsmöglichkeiten für den Konsumenten zu Hause, die es ohne das IRT nicht geben würde.

Meine persönliche Meinung

Als Geschäftsführer der FKTG e.V. bin ich zur Neutralität verpflichtet, aber als aktiver Branchenteilnehmer seit fast 40 Jahren kann und muss ich diese persönliche Stellungnahme abgeben und fragen: „Sägen die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten möglicherweise ein Teil des Astes ab auf dem sie selber sitzen, indem Sie sich in andere möglicherweise unbekannte Abhängigkeiten begeben?“

Das IRT ist keine „altmodische Technikschmiede“ im Hintergrund, sondern leistet neben der Entwicklung auch notwendige und wertvolle Arbeit in der Kommunikation und Wissensvermittlung in Deutschland und Europa. Das wissenschaftliche Team des IRT ist eine tragende Säule für EBU Technology in Genf, für die SMPTE weltweit, für viele Universitäten in Deutschland und für das Kommunikations- und Informationsnetzwerk der FKTG e.V. der Gesellschaft für elektronische Medien, den Fachpublikationen wie FKT und RTM und vielen weiteren Firmen und Organisationen in der Branche.



Ein Beispiel für die Öffentlichkeitsarbeit des IRT (Quelle: IRT Mediathek)


Nicht zuletzt denke ich an die Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Für die jüngeren und sehr gut ausgebildeten Menschen ist das möglicherweise weniger problematisch, aber für die älteren Mitarbeiter gibt es derzeit trotz dem viel zitierten Fachkräftemangel kaum Chancen für eine Weiterbeschäftigung. Allerdings werden für die Entscheider der öffentlich-rechtlichen Organisationen zukünftig kompetente Berater benötigt. Vielleicht ergeben sich hier doch noch neue Betätigungsfelder für die dann ehemaligen Mitarbeiter des IRT.

Und noch eine Frage aus Sicht eines Zahlers von Rundfunkbeiträgen: „glauben die Entscheider unserer öffentlich-rechtlichen Anstalten, die zum kostenbewussten Handeln verpflichteten sind wirklich, dass externe Technologiedienstleiter mit mindestens gleicher Qualifikation wie die des IRT preiswerter zu haben sind?“

Jede Organisation muss sich verändern. Hat man dem IRT überhaupt die Chance gegeben, sich eventuellen neuen Anforderungen der Gesellschafter zu stellen und sich zu anzupassen?

Jürgen Burghardt
BCT Broadcast Consultancy & Training

6. August 2020