Das Europäische Patentamt und das europäische Patentsystem


 

Bericht: Prof. Dietrich Sauter

 


Grundlagen des Patentsystems

Der Erfinder will aus einem technischen Fortschritt einen Gewinn erzielen. Er erhält ein befristetes Monopol und geht damit an die Öffentlichkeit. Grundprinzip des Patentsystems ist: Es muss ein Nutzen für die Öffentlichkeit entstehen. Die ausführliche Beschreibung der Erfindung ist für jedermann zugänglich. Der Nutzen für den Patentinhaber ist: Patente verhindern, dass Dritte eine Erfindung ohne die Zustimmung des Patentinhabers kommerziell nutzen dürfen. Die Laufzeit beträgt maximal 20 Jahre. Es handelt sich dabei um ein simples Tauschgeschäft: Offenlegung der Erfindung für die Öffentlichkeit und dabei Ausschlussrecht für den Erfinder. Der Einreicher kann andere daran hindern, die Idee auf den Markt zu bringen, es sei denn sie zahlen Lizenzgebühren.

Patentierbarkeit

Das Europäische Patent-Übereinkommen EPÜ legt im Artikel 52 EPÜ fest, was patentiert werden kann. Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt.

Patentierbar sind Erfindungen, wenn sie:

  • neu sind (alle Veröffentlichungen, die vorher getätigt werden, werden zitiert und gegen die Anmeldung verwendet.)
  • auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen
  • gewerblich anwendbar sind.

 

Sie müssen ein Erzeugnis, ein Verfahren, eine Vorrichtung oder eine Verwendung betreffen.
Die Erfindung ist so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann (auf diesem Gebiet) sie ausführen kann. Die Patentansprüche müssen den Gegenstand angeben, der für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein.

Die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent dürfen nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. (Die eigentliche Idee soll daher in breiter Form mit zahlreichen Rückzugsmög­lichkeiten dargestellt werden)

Nicht- Patentierbarkeit

Das schließt eine Reihe von Möglichkeiten für eine Patentierbarkeit aus, als da wären zum Beispiel:

  • Entdeckungen (z. B. das Entdecken von Stoffen in der Natur oder Gene),
  • wissenschaftliche Theorien,
  • mathematische Methoden,
  • Computerprogramme,
  • ästhetische Formschöpfungen,
  • Geschäftsmethoden,
  • Verfahren für Spiele,
  • Verfahren für rein gedankliche Tätigkeiten (geistiges Eigentum, Urheberrecht, Markenrechte),
  • Wiedergabe von Informationen.

Rechte außerhalb der Patentierung

Es gibt ferner eine Reihe von Eigentums- und Schutzrechten. Dazu gehören geistige Eigentumsrechte, wie zum Beispiel

  • Urheberrechte: Originäre schöpferische oder künstlerische Werke (literarische Texte, Musik);
  • Markenrechte: Charakteristische Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen; Benutzung und/oder Eintragung
  • Geschmacksmuster: Äußere Gestaltung; Eintragung.
  • Betriebsgeheimnisse: Wertvolle Informationen, die nicht öffentlich bekannt sind und angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen erfordern.

Das europäische Patentamt

Das europäische Patentamt ist nach der EU-Kommission die zweitgrößte zwischenstaatliche Einrichtung in Europa. Sie ist keine EU-Institution. Sie ist finanziell selbsttragend, d. h. Betriebs- ­und Investitionskosten werden aus Gebührenein­nahmen gedeckt. Die drei Amtssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch.

Heute sind im Europäischen Patentamt 38 Mitgliedsstaaten und zwei Erstreckungsstaaten (Bild 1).

[caption align=left]Bild 1. Im Europäischen Patentamt gibt es 38 Mitgliedsstaaten und zwei Erstreckungsstaaten[/caption]

Die Mitgliedstaaten sind Belgien • Deutschland • Frankreich • Luxemburg • Niederlande • Schweiz • Vereinigtes Königreich • Schweden • Italien • Österreich • Liechtenstein • Griechenland • Spanien • Dänemark • Monaco • Portugal • Irland • Finnland • Zypern Türkei • Bulgarien • Tschechische Republik • Estland • Slowakei • Slowenien • Ungarn • Rumänien • Polen • Island • Litauen • Lettland • Malta • Kroatien • Norwegen • ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien • San Marino • Albanien • Serbien

Europäische Patentanmeldungen und Patente können auf Antrag des Anmelders auch auf Bosnien und Herzegowina sowie auf Montenegro erstreckt werden (Erstreckungsstaaten).

Struktur des Europäischen Patentamts

Bild 2 zeigt die Struktur des Europäischen Patentamts. In der Generaldirektion GD1 werden die Patente geprüft, die GD5 ist die für die Prüfung der Patentanwälte zuständig. Beschwerden werden in der GD3 bearbeitet.

[caption align=left]Bild 2. Struktur des Europäischen Patentamtes  (Quelle. EPA)[/caption]

Am Standort München sind 3746 Mitarbeiter beschäftigt, es folgt Den Haag mit 2650, Berlin mit  272, und vier arbeiten im Verbindungsbüro Brüssel. Etwa 60% der Mitarbeiter sind Patentprüfer.

Patenterteilungsmöglichkeiten

Die Erteilung und Veröffentlichung von Patenten kann auf drei Wegen erfolgen: national, europäisch oder international.

National erfolgt die Anmeldung bei den nationalen Patentämtern, und das Patent ist auch nur in diesem Land wirksam. Wird das Patent beim Europäischen Patentamt angemeldet, genügt eine einzige Anmeldung und das Patent ist in bis zu 38 Länder (+2 Erstreckungsstaaten) wirksam. Die internationale Anmeldung erfolgt bei einem internationalen Büro, beim Europäischen Patentamt (EPA) oder bei den nationalen Ämtern. Das Patent kann dann in bis zu 147 Ländern wirksam werden. Ein internationales Patentverfahren gibt es nicht, aber ein internationales Patent kann erteilt werden, nach der internationalen Phase können die Anmelder in den verschiedenen Staaten in die nationale/regionale Phase eintreten. Nachprüfungen auf dieser Ebene sind dann aber möglich.

Der europäische Weg kann auf Ebenen erfolgen.

  1. Der Anmelder reicht eine europäische Direktanmeldung ein, dies entspricht der Erstanmeldung.

  2. Der Anmelder reicht eine nationale Anmeldung ein und reicht dann in Form einer Nachmeldung eine europäische Anmeldung ein. (Die Priorität einer früheren, bei einem nationalen Amt eingereichten Anmeldung muss binnen 12 Monaten nach deren Einreichung in Anspruch genommen werden).

  3. Bei der Anmeldung auf dem internationalen Weg reicht der Anmelder eine PCT-Anmeldung (Patent Cooperation Treaty) ein. Dann tritt die Anmeldung in die europäische Phase.

Alle Anmeldungen führen dann zum Europäischen Recherchen- und Prüfungs­verfahren.

Das europäische Erteilungsverfahren im Detail

Das EPA führt nach der Einreichung eine Formalprüfung durch, führt dies nicht zu einer Zurückweisung oder Rücknahme, erfolgt eine Recherche und ein Recherchebericht mit einer vorläufigen Stellungnahme zur Patentierbarkeit. Die Anmeldung wird mit dem Recherchebericht veröffentlicht. Jetzt sind Einwendungen Dritter möglich. Nach der Sachprüfung erfolgt die Patenterteilung oder die Zurückweisung. Die Erteilung des europäischen Patents wird veröffentlicht, und es kann eine Validierung in den benannten Staaten erfolgen. Die Sachprüfung kann wiederholt erfolgen. Nach der Erteilung des europäischen Patents können Einsprüche erfolgen durch juristische oder natürliche Personen, dies führt zu Beschränkungs- oder Widerspruchsverfahren. Bei Zurückweisung oder Beschränkung kann ein Beschwerdeverfahren eröffnet werden. Bei Patentverletzungen erfolgt in der Regel eine Klage vor einem nationalen Gericht. Gegen die Nichtigkeit wird vor dem Patentgericht verhandelt.

Grundprinzipien des einheitlichen Patents

Ein vom EPA nach dem EPÜ erteiltes europäisches Patent hat auf Antrag des Anmelders eine einheitliche Wirkung für die Hoheitsgebiete der derzeit teilnehmenden 25 EU-Mitgliedstaaten und wird vom EPA in einem einzigen Verwaltungsakt registriert. Es ist keine Übersetzung nach der Erteilung erforderlich. Es existiert ein einheitliches Streitregelungssystem.

Das Einheitliche Patentgericht

Bereits anhängige europäische Anmeldungen können einheitliche Wirkung entfalten, wenn sie nach dem Start des Systems erteilt werden. Nichtigkeitsklagen in Deutschland werden dann international gültig. Mindestens 13 Staaten - einschließlich Vereinigtes Königreich, Frankreich, Deutschland - müssen das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht ratifizieren (voraussichtlich 2015/2016). Bis jetzt haben Österreich, Frankreich, Dänemark unterschrieben, Deutschland und Großbritannien fehlen.

Die ersten einheitlichen Patente werden nur die Staaten abdecken, in denen das Übereinkommen ratifiziert wurde; nach dem Beitritt weiterer Staaten dann auch diese.

Der Patentanspruch (Beispiel nach EP 05076096) wird in einem einzigen langen Satz formuliert (Bild 3).

[caption align=left]Bild 3. Das einheitliche Patentgericht  (Quelle: EPA)[/caption]

 

Europäische Patentmeldungen 2013

Bild 4 zeigt die Verteilung der europäischen Direktanmeldungen nach dem EPÜ und internationale Anmeldungen nach dem PCT. Rot unterlegt sind die Anmeldungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Patent Organisation EPO, die etwa 35% der gesamten Patentanmeldungen ausmachen. Den größten Anteil der nichteuropäischen Länder hatten die USA mit 24%, Japan mit 20%, Kanada mit 8% sowie Korea mit 6%. Dabei wurden beim EPA eingereichte europäische Patentanmeldungen dem Wohnsitzstaat des zuerst genannten Anmelders zugeordnet.

[caption align=left]Bild 4. Europäische Patentanmeldungen nach ihrem Ursprung (2013) (Quelle: EPA)[/caption]

 

Top Ten-Anmelder

Die zehn Top-Anmelder beim EPA im Jahr 2013 waren: Samsung, Siemens, Philips, LG, BASF, Robert Bosch, Mitsubishi, General Electric, Qualcomm, Ericsson.

Weitere Informationen im Internet

Auf der Internetseite http://www.epo.org finden sich detaillierte Hinweise zu den Gebühren und Kosten der Verfahren sowie die Jahresgebühren für erteilte Patente. Es ist auch die Suche nach vorhandenen Patenten möglich. Ferner werden auch Warnhinweise zu bestimmten Anmeldungen gegeben. Alles ist sehr öffentlich und transparent; es werden auch die Schriftsätze beteiligen Parteien veröffentlicht. Das EPA genießt bei Veröffentlichung aus der Literatur ein Sonderecht. Der Stand der Technik ist damit öffentlich zugänglich.


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