Nachlese zur NAB 2023

NAB Las Vegas mit Stephan Heimbecher

Im FKTG Tech-Talk am 4. Mai berichtete Stephan Heimbecher über seine persönlichen Eindrücke der Jubiläumsveranstaltung in Las Vegas.


Was 1923 in einem Hotel in New York mit rund 23 Teilnehmern begann, zog nun, 100 Jahre später, 65.013 Teilnehmende aus 166 Ländern nach Las Vegas. Damit hatte die NAB 2023 rund 30% mehr Besucher als noch beim Post-Corona-Debüt letztes Jahr. Anknüpfen an alte Besucherzahlen vor der Pandemie konnte man so zwar noch nicht, aber eine deutliche Erholung war spürbar, auch was die Aussteller betrifft (laut offizieller NAB-Meldung waren es insgesamt 1.208).

Mit diesen allgemeinen Zahlen eröffnete Stephan Heimbecher seinen persönlichen Bericht über die Messeeindrücke in diesem Jahr. Und wies auch gleich auf die gute Kondition hin, die für die NAB Convention aufgrund der schieren Größe der Messehallen benötigt wird. Dafür gibt es zwar seit letztem Jahr Abhilfe, denn ein "Las Vegas Loop", unterirdische Tunnel, die durch Teslas befahren werden, verbindet jetzt die Messehallen und ein Hotel.

Das hundertjährige Jubiläum der NAB wurde auf der Veranstaltung reflektiert. Zu erleben waren die Highlights wie technologische Neuerungen, Besuche von Präsidenten und bekannten Persönlichkeiten, Besucherrekorde und mehr.

Doch aus technologischer Sicht, so Heimbecher, fehlte in diesem Jahr aus seiner Wahrnehmung heraus der „große Paukenschlag“. Oft schon sei man zur NAB oder IBC gefahren und habe ein Thema mit nach Hause nehmen können, von dem man vorher noch nicht (viel) gehört habe und dann sei es auf einmal omnipräsent. Das sei in diesem Jahr nicht der Fall gewesen.

Vielmehr seien die Technologien in den letzten zwölf Monaten weiter gereift. Aber ein so deutlicher Sprung wie im letzten Jahr, als die „Technologien deutlich erwachsen geworden sind“, sei es nicht gewesen. Aber man müsse auch anerkennen, dass nicht jedes Jahr Innovationen bringe.

 


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Hier geht's zum NAB-Rückblick mit Stephan Heimbecher:

Video Nachlese NAB 2023 mit Stephan Heimbecher


 

Schwerpunkt KI

Metaverse fand nicht statt
Bei den Technologie-Trends der Messe gab Heimbecher erst einmal zu erkennen, welches in den letzten Jahren gehypte Thema gar nicht stattgefand: das Metaverse. Viele Sender hatten mit dem Metaverse experimentiert, u. a. das ZDF mit der Serie „Doppelhaushälfte“, die im Metaverse gedreht wurde (Making-of auf den Seiten des ZDF). Auch beim diesjährigen EBU Production Technology Seminar sei das Thema präsent gewesen. Heimbecher resümierte: Das Metaverse sei nicht tot, aber es „braucht Geduld und mehr Zeit als man sich wünscht und vorstellt.“

AI-powered Solutions an vielen Stellen
Dafür war KI erneut omnipräsent und eines der Schwerpunktthemen. AI-powered Solutions habe man an vielen Stellen gesehen. So wie beim koreanischen Broadcaster KBS, der im Innovationsbereich der West Hall seine Produktionslösung VVERTIGO präsentierte. Die neuartige Lösung des KBS Media Technology Research Institute kombiniert KI-basierte Tracking-Technologie zur Personenerkennung mit 8K-UHD-Video.

Heimbecher erinnerte daran, dass Open AI sicherlich als Türöffner für den Boom dieser Themen zu sehen sei, denn jeder sei vermutlich privat schon einmal spielerisch mit ChatGPT in Berührung gekommen. Diese Trend setze sich nun vehement auch in der Medienumwelt fort und eröffne tausende Anwendungsmöglichkeiten.

Exemplarisch für die KI-Lösungen auf der Messe nannte er DeepVA, die für das Visual Data Mining verschiedene Tools bereitstellen. Die Firma Adobe wartet mit Firefly auf, „Generative AI for Creators“. Mit dem Backspace Editing lassen sich so Stimmung oder Wetter einer Filmszene ändern.  

Zudem arbeitet Google aktuell an seinem Bard Chatbot, ein Forschungsprojekt zur Sprachsynthese und Spracherkennung, und geht damit noch einen Schritt weiter als Chat GPT. Hinsichtlich Generative AI sei man aber bei Google ob der weitreichenden Konsequenzen sehr zurückhaltend.

Weniger für den Bereich Broadcast, sondern für die Tools, mit denen die meisten jeden Tag arbeiten, ist die Microsoft 365 Copilot AI-Erweiterung für das Office-Paket. So kann der Copilot zum Beispiel die Meetingvorbereitung übernehmen, in dem er die Inhalte zusammenstellt oder eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Dabei verlassen wichtige Daten den Tennant nicht. Eine wichtige Voraussetzung für Unternehmen, die Datenlecks befürchten.

Heimbecher verwies auf die derzeitig kontrovers geführten Diskussionen rund um die Auswirkung von Ki in der Arbeitswelt. So gäbe es aktuelle Studien, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien. Eine Studie aus der Schweiz, die unter anderem in einem Beitrag der Tagesschau aufgegriffen worden war, sah die höchste Gefährdung beim Beruf des Metzgers mit 78% automatisierbaren Arbeiten. Am geringsten gefährdet sei der Studie zufolge der Beruf des Physikers mit ca. 43% Risikoindex. Andere Forschende hätten z. B. die höchste Gefährdung bei Programmierern, Buchhaltern, Dolmetschern und Journalisten gesehen.

Es gelte also abzuwarten. Für den Medienbereich sehe er den möglichen Einsatzbereich im Schnittumfeld, etwa um Fußballhighlights zusammenzuschneiden. Das käme der kreativen Arbeit der Cutterinnen und Cutter entgegen, die dann nicht mehr Zeit für Routinetätigkeiten aufwenden müssten.

KI sei also im jetzigen Zustand mehr Entlastung als Gefährdung. Außerdem könne sie noch keine Probleme lösen.

Weitere Trends

Remote Work und Cloud
Ein weiterer Bereich mit großen Auswirkungen auf die Arbeitswelt in den Medien von morgen, sei das Thema Remote Work und Cloud. Als Lösungen nannte er exemplarisch die Lösung Simplylive unter dem Dach von Riedel. Eine Software Suite für die Live-Produktion. Ein weiterer Hersteller mit großer Präsenz im Thema sei die Grass Valley Agile Media Processing Platform AMPP. Als Alternativen seien zum Beispiel qibb und Neton.Live OS zu nennen.

Diese Lösungen würden Workflows und Prozesse im Broadcast-Bereich langfristig sehr stark verändern. Hier gelte es mit Change Management vor allem die Menschen mitzunehmen. Doch wie groß ist die Bereitschaft der Broadcaster in die Cloud zu gehen, etwa für das Playout? Diese Diskussion sei noch sehr mühsam, in der geklärt werden müsse, wo die Cloud sich befinde, wo die Daten lägen usw. In diesem Zusammenhang kam Heimbecher auf die europäische Cloud-Initiative Gaia-X zu sprechen. Auch organisatorische Dinge, wie ein möglicher späterer Wechsel von einer Cloud in die andere wären noch zu klären. Die Vorteile der Cloud aber seien unbestritten, ihr Einsatz nur eine Frage der Zeit.

COTS
Ein weiterer Trend der letzten Jahre, auch in Verbindung mit dem Thema Cloud, ist die Verwendung von Commercial-Off-The-Shelf-Lösungen in Verbindung mit SaaS-Modellen. Damit fallen keine Hardware-Investitionszyklen mehr an und ein flexibleres Arbeiten wird möglich.

Dabei spielten auch unterschiedliche Protokolle eine Rolle. So sei in den letzten Jahren SMPTE 2110 der Platzhirsch im Broadcast-Bereich gewesen. Im letzten Jahr aber habe NDI einen großen Schritt nach vorne gemacht, sodass viele Hersteller jetzt auch diese Schnittstelle unterstützen. In diesem Zusammenhang erwähnte Heimbecher auch, dass die Firma Blackmagic Design einen 2110 IP Converter für drei 3G-Eingänge auf den Markt gebracht habe.

Virtuelle Produktion
Seit den Corona-Lockdowns hat das Thema Virtual Production sehr stark an Fahrt gewonnen. Während frühere Virtual Productions mehr Single-Kamera-Produktionen waren, rutschen jetzt Multicam Workflows bei den Anbietern wie Sony, Vizrt, Roe, Ross, Dreamwall oder Zero Density in den Fokus. Brompton Technology habe hierzu zum Beispiel Frame Remapping vorgestellt, welches ermöglicht, dass mehrere Kameras gleichzeitig unterschiedliche Inhalte auf demselben LED-Screen anzeigen können. Auch das Setzen von virtuellen Markern auf dem LED-Screen selbst zur Verfolgung der Kameraposition sei möglich.

Und was ist mit Green Production?
Sicherlich ein großes Thema, was aber laut Heimbecher in Las Vegas nicht dominant war. Es gebe zwar in den USA inzwischen ein paar Firmen, die das Thema erkannt hätten und Fortschritte machten, aber Deutschland sei mit dem „Green Motion Label“, dem sich viele Produktionen ja freiwillig verpflichten, meilenweit voran. Das gleiche gelte für Europa insgesamt.

Die nächste NAB Show in Las Vegas findet vom 13. bis 17. April 2024 statt.

-AB
Teaser: lindsayascott auf Pixabay
Bild 1: Stephan Heimbecher