„Kinointegration professionalisieren“

Tammo Buhren

Tammo Buhren, Geschäftsführer von FKTG-Förderfirma zweiB, über die aktuelle Stimmung in der Kinobranche, technische Neuerungen und Herausforderungen bei der Projektplanung.


Du warst Ende März bei den UNIC Cinema Days 2022 in Brüssel und erst kürzlich auf der CinemaCon in Las Vegas. Wie war die Stimmung der Branche nach diesen zwei schwierigen Jahren?

Das Fachmagazin Blickpunkt Film hat die CinemaCon zusammengefasst als „Cinema is Back“, das würde ich unterstreichen. Die Studios konnten vermitteln, dass Kino wieder ein fester Bestandteil der Auswertung von Filmen sein wird. Das hat viele Kinobetreiber zuversichtlich gestimmt.

Was die Technik angeht, dominiert auch in den USA das Thema „Verfügbarkeit“. Und auch das Thema Nachhaltigkeit begegnete einem dort immer öfter auch im Bereich der Technik.

Auf den UNIC Cinema Days in Brüssel einen Monat zuvor war Stimmung der Branche meines Erachtens landesabhängig, denn die Situation in den einzelnen europäischen Ländern ist ja sehr unterschiedlich. Bei den Kinos in Deutschland war die Stimmung da vielleicht tendenziell schlechter, da wir längere und größere Einschränkungen hatten, als andere Länder in Europa. 

Als ich in Brüssel aus dem Flughafengebäude herauskam, habe ich zum Beispiel nur noch Menschen ohne Maske gesehen, auch beim Event selbst gab es keine Maskenpflicht. Das war natürlich etwas ganz anderes als das, was wir in Deutschland erlebt haben, auch wenn ich selbst eher vorsichtig bin und einige Einschränkungen begrüße. In Polen spielen zudem die Geschehnisse in der Ukraine eine noch viel deutlichere Rolle als in Deutschland. Das Kriegsgeschehen spielt sich ja quasi vor der eigenen Haustüre ab und es kommen auch mehr Geflüchtete nach Polen.

Insgesamt würde ich nach den bisherigen Eindrücken auf beiden Events aber sagen, dass Aufbruchsstimmung in der Branche herrscht.

Welche Technik-Trends stehen für Kinobetriebe aktuell im Vordergrund? 

In Deutschland hat die FFA ja für die Kinos einige Fördertöpfe zur Verfügung gestellt. Dadurch sind viele Kinos, auch die Programmkinos, vergleichsweise gut durch die Krise gekommen und haben zum Beispiel in neue Projektoren investiert, von Xenon zu Laser umgerüstet, oder dies zumindest ins Auge gefasst. Auch im Bereich Bestuhlung haben viele Geld in die Hand genommen. Hier zeichnet sich ein Trend zu luxuriösen Recliner-Modellen ab. 

Nicht alle Länder waren so großzügig, es gab keine europaweit einheitliche Linie, von 100% Unterstützung bis zu gar keinen Hilfen war alles dabei. Die polnischen Kinobetreiber waren zum Beispiel erstaunt, welche Hilfen in Deutschland verfügbar waren und welche Projektorenmodelle inzwischen ihren Weg in einige Kinos gefunden haben. Je nach Art der staatlichen Unterstützung waren daher andere Länder deutlich zurückhaltender in ihren Investitionen.

Ein erwarteter Aufhänger ist der neue „Avatar“-Film Ende des Jahres. Es laufen ja gerade erste Tests von Disney. Der Film lotet sozusagen die Grenzen der Technologie im Kino aus. Es gibt Versionen in 4K/3D/HFR, wo die komplette Bandbreite der derzeit verfügbaren Technologie im Kino genutzt wird. Aber: Die Kinos werden sich nicht deswegen extra hochrüsten, vielleicht in Einzelfällen. Dafür  schwingt bei vielen zu sehr die Angst vor einem möglichen Lockdown mit, dass sie alles auf einen Film setzen. Und auch die Geldmittel für eine solche Umrüstung müssen natürlich vorhanden sein.  

 

Du betreust mit zweiB seit Jahren Kinoinstallationen für Neu- und Umbauten. Jetzt hast Du gemeinsam mit weiteren bekannten Köpfen der Branche Vandors gegründet. Wie kam es dazu?

Für uns war es einfach der perfekte Zeitpunkt, den Markt der Kinointegration neu zu denken. Charlie Nedeltschev, Thomas Landfried, René Wagner und ich sind vier völlig unterschiedliche Persönlichkeiten mit vielseitigen Erfahrungen aus ganz verschiedenen Bereichen. Wir vereinen sozusagen das Beste aus Kino, Event, Broadcast und IT. Aus diesem Know-how heraus können wir Dinge völlig anders angehen, als dies bisher in der Branche der Fall war.

Die Veranstaltungstechnik ist zum Beispiel sehr professionell aufgestellt; auch im Broadcast ist man eine ganz andere Arbeitsweise gewohnt. In Zukunft wird es in der Kinotechnik immer mehr um IT und Dokumentation gehen. Hier hinkt die Branche aber noch deutlich hinterher. Das wollen wir mit Vandors ändern und die Kinointegration weiter professionalisieren.

Vandors Logo
Mi., 01.09.2021 - 08:19

Was ändert sich dadurch im Business von zweiB?

Bei zweiB liegt der Fokus wie gehabt auf dem Event- und Live-Bereich. Auch hier wird es also immer noch Projekte im und um das Kino geben, wie etwa Filmpremieren, Filmfestivals, Tradeshows und ähnliches. zweiB wird weiterhin mit seinen Dienstleistungen sehr eng mit der Film- und Kinobranche verbunden bleiben.

 

Du bist seit Jahren auch in vielen weiteren Interessensgruppen rund um das digitale Kino tätig, unter anderem im EDCF. Pandemiebedingt war ja vieles in den letzten Jahren nicht möglich. Wie sieht es aktuell aus, wird es wieder Aktivitäten geben?

Die Notwendigkeit, sich auszutauschen ist nach wie vor da, das hat man gerade auch bei den UNIC Cinema Days gesehen. Viele aktive Köpfe des EDCF waren ebenfalls vor Ort. Im Moment haben wir noch nichts fest geplant, aber ich gehe fest davon aus, dass sich das EDCF von selbst wieder aktivieren wird, wenn wir dauerhaft zu einer gewissen „Normalität“ zurückgekehrt sind. Angst, dass eine solche Interessensgruppe verschwindet, habe ich da nicht. Sobald das Kino wieder voll da ist, wird es auch Aktivitäten rund um das EDCF wieder geben. 

Herausforderungen gibt es derzeit ja genug, nicht nur was die neuen Technologien, sondern auch das Thema Verfügbarkeit des Equipments angeht. Das betrifft praktisch alle Komponenten, die Elektronik beinhalten, etwa Projektoren, Abspielserver, Lautsprecher usw.

 

Wie siehst Du die weitere Branchenentwicklung für das Jahr 2022 und darüber hinaus?

Ganz vordringlich ist wie zuvor gesagt die Verfügbarkeit  des Equipments. Der Wunsch, von Xenon zu Laser zu wechseln, hat trotz Corona-Zeit zumindest in Deutschland Fahrt aufgenommen. Das hat die globale Chip-Krise, die ja schon vor der Pandemie ihren Anfang nahm, noch einmal verstärkt. Viele Hersteller haben inzwischen ihr Produktportfolio verschlankt, da weltweit der Absatz pandemiebedingt rückläufig war. Beide Krisen sind also eng miteinander verknüpft. 

In den letzten Wochen sind alle Versuche, Lieferdaten für unsere Kunden durchzugeben, gescheitert. Die nötigen Microchips sind einfach nicht lieferbar. Hinzu kommt, dass die Preiserhöhungen für die Mangelware Chips an die Kunden durchgereicht werden. Und ich sehe auch nicht, dass diese rückgängig gemacht werden. Es bleibt abzuwarten wie sich die Preisentwicklung für Chips in Zukunft einpendeln wird.

-AB
Bild: Tammo Buhren
Logo: Vandors GmbH