„In technisches Know-how investieren“ – Teil II

Dagmar Driesnack

Im zweiten Teil des Interviews mit Dagmar Driesnack, Solution Manager bei Rohde & Schwarz geht darum, wie die Weiterentwicklung im Bereich Technologie und der Faktor Mensch zusammenhängen und warum es ohne eine praxisnahe Ausbildung nicht geht. Zu Teil 1 geht es hier.


Einer Deiner Schwerpunkte der letzten Jahre war ja die UHD-Live-Produktion. Wir haben seither schon einige große Produktionen und Tests gesehen, mit 5G ist jetzt der Enabler da, mit dem auch großflächiger in UHD produziert werden könnte. Woran hakt es noch, welche Bedingungen müssen sich ändern, damit wir künftig noch mehr High-End-Produktionen, eventuell auch mit HDR und HFR sehen?

Hier muss man an verschiedenen Punkten ansetzen: Die Infrastruktur in den Anstalten, das vorhandene Wissen der vorhandenen Mitarbeiter und natürlich die Kosten und die Zeit.
Mit der Einführung von HD war es einfacher, da man die Technologie intern und auch zum Zuschauer hin besser verargumentieren konnte, quasi als „Wir steigen vom Röhrenfernseher auf den Flachbildschirm um und führen gleich noch eine neue Technologie ein“.
Danach hat die Consumer-Industrie die Produktionswelt überholt durch die kürzeren Investitionszyklen und hat letztendlich die heute erhältlichen 4K- oder 8K-Endgeräte auf den Markt gebracht. Die Produktionsmittel bei den Anstalten waren da noch für den HD-Betrieb geplant und ausgelegt, ein schnelles Reagieren auf diese Entwicklungen war (und ist) da nicht möglich.
Auch wenn natürlich budgetäre Dinge eine wesentliche Rolle spielen und man von Seiten der Sender sparen muss und sollte, könnte das Einsparen bei der Technik und auch beim Know-how der Mitarbeiter meiner Meinung nach auf längere Sicht ein Problem werden. Denn ohne das Personal und das Know-how über die aktuellen technischen Entwicklungen, die flexibel anpassbar sein werden, wird es in Zukunft schwerer werden, wenn man sich im umkämpften Medienmarkt behaupten will.

Welche Impulse erwartest Du von der NAB und anderen großen Broadcast-Messen in diesem Jahr?

Das Netzwerken wird sicherlich nach zwei Jahren Abstinenz im Vordergrund stehen. Ich persönlich denke, dass die Entwicklung in Richtung IP/Cloud/Remote Production durch die Pandemie gut Fahrt aufgenommen hat. Man hat gemerkt: Auch remote bekomme ich eine gute Produktion hin.
Was jetzt noch auf der Agenda steht, ist natürlich die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur einschließlich Konnektivität im Studio und im Home Office, damit die neue, hybride Arbeitswelt fest verankert werden kann.
Weg vom grünen Kabel hin zu IP, das wird uns daher noch einige Zeit begleiten. Beide Welten haben ihre Vor- und Nachteile, doch die Umstellung wird Schritt für Schritt weitergehen.
Wichtig ist natürlich auch das Personal, das bei diesen neuen Entwicklungen mitgenommen werden muss. Es braucht Vertrauen zu den Kollegen, dass auch zuhause so professionell wie im Studio gearbeitet wird. Und das Wissen um den Umgang mit der neuen Technik muss natürlich da sein. Da heißt es, den Fachkräftemangel aktiv anzugehen, wo wir wieder bei dem Thema Nachwuchs sind.

Und wie kann man dem Fachkräftemangel aus Deiner Sicht entgegenwirken?

Ich glaube, viele Hochschulen und Ausbildungsinstitute haben inzwischen realisiert, wie wichtig eine praxisnahe Ausbildung ist.
Ich habe zum Beispiel erst Anfang April den virtuellen Studieninformationstag der Hochschule Mittweida „besucht“, an der ich selbst studiert habe. Dort hat man, ich glaube 2005, „meinen“ Diplomstudiengang Medientechnik umgestellt auf den Bachelor, der dann irgendwann sogar ganz abgeschafft wurde. Ab dem kommenden Wintersemester gibt es den Bachelor-Studiengang jedoch wieder - ohne technische Ausbildung geht es dann doch nicht.
Die Hochschule Mittweida hat hier schon lange ein sehr gutes Modell. Die Ausstattung im HD-Studio und das sofortige Einbeziehen der Studenten dort ermöglicht es, dass die Studierenden sehr nah an die Praxis in den Sendern herankommen. Das war auch für mich der Grund, nach Mittweida zu gehen, man lernt nicht nur die Theorie, sondern auch den Umgang mit der Technik und ist so gut vorbereitet für den Start in die Berufswelt.

Sa., 30.04.2022 - 12:31

Stichwort „Women Empowerment“: Wie könnten die Interessen von Frauen in der Branche stärker vertreten werden?

Das Grundproblem ist, dass wir immer noch zu wenige Frauen in technischen Berufen haben. Und das teilweise immer noch Unterschiede gemacht werden. Wie groß diese ausfallen, hängt allerdings auch stark vom Elternhaus oder von der eigenen Sozialisierung ab. Schon in der Schulzeit lag mein Interesse eher in den naturwissenschaftlichen Fächern. Und meine Familien hatten kein Problem damit, dass ich später in eine technische Richtung wollte, und haben mich unterstützt. Auch im IRT wurden keine Unterschiede gemacht, die Kollegen haben gesehen ‚da will jemand‘ und haben entsprechend gefordert und gefördert, unabhängig von jeglichen anderen Dingen.
Ich finde es auch sehr schade, dass wir immer noch auf Quotenregelungen setzen müssen, da so ein fader Beigeschmack bleibt. Es muss die Qualifikation eines Menschen zählen, alles andere darf keine Rolle spielen. Aber da müssen noch erst einige alte Zöpfe abgeschnitten werden, was wohl noch eine Weile dauern wird.
Ich finde aber, dass wir insgesamt gesehen im Medienbereich schon recht gut aufgestellt sind, was Diversität angeht. Da sind andere Branchen deutlich schlechter dran. Aber Luft nach oben gibt es immer.

-AB
Teaserbild: Gerd Altmann, Pixabay
Bild 2: Dagmar Driesnack/Rohde & Schwarz