„Inspiration für Möglichkeiten der Cloud liefern“

Jens Gnad

Erst kürzlich hatte die LOGIC media solutions GmbH zum „Hallo Hybrid“-Event zum WDR nach Köln geladen. FKTG sprach mit Geschäftsführer Jens Gnad über die Veranstaltung und weitere Projekte des Unternehmens.



Wer waren die Teilnehmenden des „Hallo Hybrid“-Events? 

Wir hatten ein sehr gutes Echo auf unsere Einladung mit im Vorfeld rund 85 Anmeldungen. Tatsächlich gekommen sind dann um die 60 Personen, darunter sowohl Entscheidungsträger von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten als auch Vertreter von Herstellern.


Warum dieses Event einen Monat vor der IBC? Was war die Idee?

Wir haben die Veranstaltung ja bereits zum fünften Mal gemacht, diesmal mehr mit dem thematischen Fokus auf einen hybriden Ansatz. Die Idee dahinter ist, den Teilnehmern zu zeigen, was man heute alles mit cloudbasierten Lösungen umsetzen kann, und ihnen so neue Möglichkeiten für ihre eigenen Projekte aufzuzeigen.

Beim Termin mussten wir uns zum einen nach dem Ferienkalender richten -wir haben gewartet, dass die Ferien in NRW vorbei waren- zum anderen auch nach der Verfügbarkeit der Location. Der NATO-Saal des WDR ist sehr beliebt und oft schon monatelang im Voraus ausgebucht. 

Dass unsere Veranstaltung zeitlich relativ nah an der IBC liegt, hat uns aber gar nicht gestört. So kommen die Teilnehmer mit frischen Ideen nach Amsterdam.
 

Plakativ gefragt: Was ist denn über „die Cloud“ im Medienbereich noch nicht gesagt? 

Obwohl  sich in der Branche schon seit Jahren so viel um das Thema Cloud dreht, gibt es immer noch sehr viel Erklärungsbedarf. Viele Leute wissen gar nicht, was sie alles in die Cloud bringen können. Wir haben daher versucht, die verschiedenen Anwendungsbereiche ein bisschen näher zu bringen.

Ein großes Thema  der letzten Jahre ist natürlich SDN und das darauf nun mögliche einfache Hinzubuchen von Ressourcen in der Cloud. Hierüber haben viele natürlich schon etwas gehört. Aber eben nicht im Detail. Sie wissen zum Beispiel eventuell nicht, dass sich über einen Broadcast Controller auch AWS-Instanzen starten lassen können. Oder dass man den Videomischer und viele andere Anwendungen ganz einfach in die Cloud bringen kann. Hier sind der Phantasie nahezu keine Grenzen gesetzt. Was es so (noch) nicht gibt, kann einfach „gebaut“ werden. Mit den AWS CloudFormation Templates kann die Bereitstellung und Verwaltung von Diensten oder Anwendungsarchitekturen dabei enorm vereinfacht werden.  

Wir haben mit unseren Partnern auch gezeigt, welche umfangreichen Analytics-Möglichkeiten man heute in der Cloud hat, zum Beispiel um den Videokonsum der Zuschauer auszuwerten. Oder um zu schauen, wie gut oder schlecht ein CDN läuft. Oder wie Digital Rights Management ohne 24/7 Server mit einer „Serverless Infrastructure“ funktioniert. Wie hybride Infrastrukturen in Produktion und Playout im Live-Umfeld helfen können oder wie non-lineares Editing im Browser ganz einfach umgesetzt werden kann.

Kurz gesagt: Ich glaube wir haben eine sehr vielfältige Palette an möglichen Anwendungsbereichen für hybride Infrastrukturen im Medienbereich präsentiert und so Raum für neue Ideen bei den Verantwortlichen in den Sendern geschaffen. 

Nach dem Feedback und Fragen aus dem Publikum oder bei Kundengesprächen zu urteilen: Wo bestehen bei den Medienhäusern noch die größten Unklarheiten oder Hürden, wenn es um die Umsetzung hybrider Cloud-Lösungen geht?

Wie schon gesagt, viele Menschen brauchen Inspiration, was man eigentlich machen kann. Wir wollten daher bei unserer Veranstaltung in Köln auch keine Produktpitches machen, sondern gezielt Anwendungen vorstellen. Was kann die Cloud anders, besser und kostengünstiger machen? Was ist überhaupt möglich?

Diese Art der Inspiration ist heute noch viel nötiger als früher. Wer heute auf eine Fachmesse geht, kann sich nicht einfach nur neue Produkte angucken, wenn er oder sie nicht versteht, wofür ein Produkt eingesetzt werden kann.

Wenn ich also ein tolles Analytics-Tool habe, mit dem ich viele verschiedene Werte berechnen kann, aber die Leute nicht verstehen, dass ich so dem Abonnentenverlust entgegenwirken oder neue Abonnenten für meine Medienplattform gewinnen kann, nutzt das gar nichts.  

Wir haben also ein Potpourri aus den verschiedensten Projekten zusammengestellt, die mit AWS umgesetzt werden können, zum Beispiel von Radiokommentatoren berichtet, die heute komplett anders arbeiten als vor vier Jahren. Oder den hypothetischen Fall, dass das System anhand von Metadaten erkennt, welcher Spieler auf dem Spielfeld sich im Bild befindet.

Man könnte darauf aufbauend verschiedene Kameras in die Cloud streamen und mit einem AWS Sagemaker KI-Modell  jedem Stream ein Videomischer zuweisen, der aus diesen Kamerabildern einen dedizierten Stream für eine bestimmte Zielgruppe mischt. Das ist gerade für große Sport-Franchises interessant, die ja zum Beispiel Stars aus bestimmten Märkten für ihre Ligen einkaufen, um so neue Zielgruppen zu erschließen. Man könnte so zum Beispiel einen Stream erzeugen, der ganz auf einen bestimmten Spieler zugeschnitten ist. Auch an Dingen wie Torvorhersage per KI u. ä. arbeiten die Experten bereits.

Aber auch für Randsportarten und kleinere Broadcast-Projekte, für die ein Ü-Wagen zu teuer ist, bietet die Cloud eine gute Option.


Im Gegenzug: Welche Erwartungen können cloudbasierte Lösungen heute noch nicht erfüllen, obwohl viele gerade das meinen? 

Bei der 24/7-Nutzung müssen Kunden die Erwartungen an die Cloud noch zurückschrauben, da hat sie ihre Schwächen. Der Anwendungsfall muss zum Business Case passen.

Wenn ich ein Auto zum Beispiel nur einen Monat benötige, dann ist es günstiger, eines zu mieten. Wenn ich es ein ganzes Jahr oder länger benötige, dann fahre ich mit einem Kauf besser. So ist es quasi auch mit der Cloud. Für lange Laufzeiten ist „on demand“  nicht wirtschaftlich. Hierfür muss man sich dann der „reserved instances“ bedienen, die nicht auf jeden Anwendungsfall passen. 

Die Vorteile spielt die Cloud ganz klar in ihrer Flexibilität aus. Es gibt gefühlt 100 Lösungsansätze (oder mehr), um ans Ziel zu kommen. Es kommt daher nicht selten vor, dass ich Leuten gegenübersitze, die gar nicht fassen können, welche Möglichkeiten man mit der Cloud hat, was man alles machen kann.

Wer den Videoschnitt zum Beispiel in die Cloud verlagert, kann Material auch in einem anderen Land schneiden lassen, das vorher in wieder einem anderen Kontinent vorselektiert wurde. Es ist also (fast) nichts unmöglich.

Di., 23.08.2022 - 10:37

LOGIC media solutions hat das neue Konzept PORTAL Human auf der Hamburg Open vorgestellt. Wie war das Feedback von den Medienanstalten?  Sind weitere Kurse zum Thema Agilität in Planung? 

Die Medienunternehmen haben das Angebot sehr positiv aufgenommen und wir haben auch schon einen Kurs remote durchgeführt. Wir sind derzeit vermutlich eines der wenigen Unternehmen in Deutschland, die Agilitätstrainings für den Medienbereich anbieten. Es geht dabei darum, seine Denkweise zu ändern, um sich Problemen stellen zu können, die so komplex sind, dass man sie selbst nicht vollständig fassen kann.

Allerdings müssen für uns auch die Rahmenbedingungen stimmen. Daher gibt es derzeit die Schulungen noch „on demand“. Wir betreiben aber im Moment viel Consultingarbeit in diesem Bereich - der Bedarf ist also da.

Aktuell halte ich zudem an der Hochschule RheinMain Wiesbaden eine Vorlesung für Studierende aus dem Bereich Medientechnik zum Thema Agilität.


Wir erleben gerade eine völlige Neuausrichtung der Arbeitsbereiche in Medienunternehmen. Wie wird sich die Arbeit von Unternehmen wie LOGIC media solutions dadurch verändern? 

Man sieht die Veränderungen schon jetzt ganz deutlich. Das Thema Usability steht klar im Fokus. Man muss nicht ein Produkt mit unzähligen Funktionen haben, wenn dies für den Benutzer gar nicht greifbar ist. 

Der Kunde kauft also nicht unbedingt das beste Produkt, sondern das Produkt, was er versteht. Das war aber auch früher schon so, Einfachheit schlägt Funktion. Im Zuge der zunehmenden Komplexität tritt es nur deutlicher zutage.

Was sich auch ändern wird, ist das komplette Thema der Projektausschreibung. Es wird künftig einfach nicht mehr möglich sein, alles haarklein vorzuschreiben, wie wir das zum Beispiel noch im klassischen Studiobau sehen. Im Cloud-Umfeld ist das nicht leistbar.


Was können Besucher der IBC erwarten? Wird dort auch noch einmal das 25-jährige Bestehen gefeiert?

Wir hatten ja schon eine Jubiläumsparty. In den Niederlanden waren zum Zeitpunkt der Planung noch recht starke Beschränkungen, was die Zusammenkunft von mehr als 100 Menschen angeht. Daher haben wir uns dazu entschlossen, keine große Feier auf der IBC zu machen.

Aber natürlich werden wir vor Ort sein, mit einem Team von insgesamt zwölf Leuten. Und wir werden wieder einiges rund um PORTAL und die neu oder weiterentwickelten Module vorstellen, darunter das neue PORTAL.easystream und PORTAL.voiceover.

Der Markt konsolidiert sich ja immer mehr, Kooperationen sind wichtiger denn je. Die Branche geht insgesamt weg vom Inseldenken, hin zum Ecosystem, das an Komplexität immer weiter zunimmt. Wir sehen uns als Kompass für unsere Kunden in dieser komplexen Welt, in der die Wegeführung viel enger vermascht ist, als es noch zu Zeiten von Kreuzschiene und Rack war. 


Es wird auch wieder ein Vortrag auf der FKTG Fachtagung zum Thema „Komplexe Medien-Infrastrukturen - AWS Workflows und agile Methoden“ geben. Wie wichtig sind diese Veranstaltungen im „kleineren“ Kreis und mit einem sehr fachtechnischen Publikum?

Veranstaltungen wie etwa das Thüringer oder Wiesbadener Mediensymposium oder auch die Jahrestagung bleiben für mich weiterhin eine sehr sinnvolle Ergänzung, gerade auch als Präsenzveranstaltungen. Es ist eine völlig andere Art des Austauschs und mir persönlich macht es viel mehr Spaß, beim Vortrag auch die Menschen vor mir zu haben, als online quasi ins Leere zu sprechen.

Allerdings muss ich sagen, dass ich meine Vorträge auch immer sehr genau vorbereite. Wenn jemand sich nicht richtig vorbereitet hat, fällt das meist direkt auf. 

Besonders interessieren mich Vorträge direkt aus der Praxis. Etwa von den Verantwortlichen aus den Sendern selbst oder Berichte über realisierte Projekte.


Was erwartet LOGIC media solutions als Förderfirma von der FKTG ?

Ich finde es gut, dass es mit der FKTG eine Plattform zum Austausch gibt, sowohl online als auch persönlich in den Veranstaltungen und Regionalgruppen. Wichtig ist es, dass wir mehr junge Leute zum Mitmachen begeistern können, denn da kommen die Ideen her.

Man muss dem Nachwuchs eine Bühne geben, eigene intressante Ansätze vorzustellen. Dabei ist es gar nicht so wichtig, ob diese Ideen immer 1:1 umsetzbar sind. Wichtig ist es, frischen Wind reinzubringen, Sachen neu zu denken. Und vor allem auch die Älteren nicht gegen die Jüngeren auszuspielen bzw. umgekehrt. Jeder profitiert vom anderen.

-AB
Bild: Jens Gnad, LOGIC media soulutions GmbH